Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
Gartenfeste und Spaziergänge, in denen sie langsam erwachsen geworden waren. Aus dem stämmigen, zur Pummeligkeit neigenden Burschen war ein Gentleman geworden, der sich in Haltung und Auftreten zwar schon gesetzt gab, dessen Zügen unter dem streng zurückgekämmten Haar in der Farbe von altem, dunklem Whisky jedoch noch eine Spur jungenhafter Weichheit anhaftete, und aus dem Mädchen, das immer ausgesehen hatte wie ein Engel, das aber teuflisch kratzbürstig sein konnte, eine aparte junge Lady, die sehr genau wusste, was sie wollte. Und während sich immer mehr Verehrer um Cecily Hainsworth scharten, gnädig in Erwägung gezogen und dann wieder aussortiert wurden, hatte Royston das Geschehen aus der Ferne verfolgt und mit jenem gutmütigen Spott bedacht, der ihm so eigen war. Als hätte er immer gewusst, seit jenem ersten Sommer schon, dass Cecilys Wahl eines Tages auf ihn fallen würde, bliebe er nur mit unerschütterlicher Geduld in ihrer Nähe.
Cecily fühlte eine Woge von Stolz in sich aufsteigen. Sie war stolz darauf, dass Royston sich entschieden hatte, wie Leonard nach Sandhurst zu gehen, statt sich auf dem Anwesen der Familie in Devon auf seine zukünftige Rolle als Earl vorzubereiten; erst die Kameradschaft und das Abenteuer zu suchen, die das Leben in einem Regiment bot, bevor er sesshaft wurde. Genau wie ihr Vater, der Earl of Grantham, und dessen Bruder; genau wie deren Vater und dessen Bruder. Wie so viele Männer, die zuvor denNamen Hainsworth trugen, Grundbesitzer und Gentlemen und Offiziere, eine stolze Linie durch die Vergangenheit, noch ehe der Erste von ihnen sich als Earl betiteln durfte.
»Weißt du, Roy ...«, flüsterte sie sanft. »Ich halte dich wirklich für einen ausgemachten Snob.«
»Aah«, machte er und setzte eine blasierte Miene auf. »Stellt sich nur die Frage, ob du gerade das an mir so unwiderstehlich findest oder ob du es vielmehr genießt, dass ausgerechnet dieser Snob das Knie vor dir beugt und dir aus der Hand frisst.«
Um Cecilys Mundwinkel zuckte es, und sie schob die Arme unter seinen Achseln hindurch und schmiegte sich an seine breite Brust.
»Wusst ich’s doch«, knurrte er liebevoll.
Als sie ihre Stirn gegen seine Halsbeuge drückte, wurde sein Herz, behäbig eigentlich und nur schwer entflammbar, heiß und weich.
Und während der Fuchs des Earls of Grantham sie durch die Wiesen trug, auf die Ausläufer des Kalksteinrückens zu, an dessen Fuß sich noch blütenloses Heidekraut mit Sträuchern abwechselte, von unscheinbaren, blässlichen Knospen gesprenkelt, die irgendwann nach Mittsommer schwer sein würden von dunklen Heidelbeeren, süß und feucht wie ein erster Kuss, war jeder Schritt des Tieres wie ein weiterer Schritt in ein gemeinsames Leben. Während Simon und Ada noch nach Gemeinsamkeiten suchten und Tommy in Spurts und Sprüngen die Grenzen auslotete, die der Leib des Pferdes und sein eigener, noch so junger, aufboten, führte Leonard die Stute seiner Schwester neben seinem Rappen her, die Augen unverwandt auf den Saum des Waldes gerichtet, hinter dessen Biegung Jeremy und Grace verschwunden waren.
Die Hufe der beiden Pferde donnerten über die Erde, ein Geräusch, das Grace trunken machte. Sie war versucht, die Augen zu schließen, sich ganz dem dahinjagenden Ritt zu überlassen.Wahnsinn wäre das gewesen, bedurfte sie doch ihrer ganzen Kraft, ihrer ganzen Wachsamkeit, um sich bei diesem Tempo fest im Damensattel zu halten. Und dennoch, dennoch hörte die Verlockung nicht auf, sie zu umsäuseln. Ihr einzuflüstern, sie solle sich der Illusion hingeben, dass sie immer weiterreiten könnte, so wie jetzt, Jeremy im Sattel neben sich, jede seiner Bewegungen unter ihrer Haut zu fühlen, die doppelten Hufschläge ein Echo ihres eigenen Herzschlags, der schnelle Atem der Tiere eins mit dem ihren, und niemals mehr anhalten zu müssen.
Zwischen den ersten Haselsträuchern ließ sie ihre Stute auslaufen, hielt auf die Kastanien und Eichen am Rand des Waldes zu, zwischen deren Stämmen die hellen Blüten der Stechpalmen im dunkel glänzenden Laub leuchteten. Dort stieg sie ab und führte das Pferd durch hohes Gras zu einem der Bäume, band es fest.
Jeremy tat es ihr nach, doch während sie es vermied, ihn anzublicken, beobachtete er sie genau. Wie sie die Handschuhe abstreifte, wie sie die Nadeln herauszog, mit denen ihr Hut befestigt war, und ihn abnahm, ihn umdrehte und alles achtlos hineinwarf. Wie sie ihrem Pferd zärtlich auf den Hals klopfte und sich mit
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