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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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wie Lady Alfords Blick sanft wurde.
    Von Paris kamen sie auf Rom, das ihnen beiden eine Stadt strotzender Lebenskraft war, kräftiges Fleisch und starke Muskeln über dem bleichen Gebein der Antike, und von der Malerei über die Architektur schließlich zur Musik.
    Adas Blick fiel auf Grace, die von einer Reihe tanzender Paare daran gehindert wurde, zu ihrer Schwester und den Digby-Jones herüberzukommen. Mittels Fingerzeichen und Lippenbewegungen bedeutete sie Ada, sich mit Simon draußen einzufinden. Ada antwortete mit einem Nicken, zögernd, beinahe unwillig, die Gesellschaft von Lady Alford aufzugeben, und sei es auch nur für kurze Zeit.
    »Wenn Sie einmal während der Wintersaison in London seinsollten«, schlug Lady Alford gerade vor, »möchten Sie uns dann nicht in die Oper begleiten? Sie wären uns in unserer Loge herzlich willkommen!«
    Ada sah Simon an. Im Widerschein der Zufriedenheit, die Lord Alford heute Abend ausstrahlte, dass aus seinem ungebärdigen Jüngsten nun doch noch etwas Vernünftiges zu werden versprach, schien Simon einen Kopf größer geworden zu sein, und mit dem Strahlen, das sich nun auf seinem Gesicht ausbreitete, schien er gleich noch ein Stückchen weiter zu wachsen. Einen flüchtigen Augenblick lang dachte Ada daran, dass sie dafür die Erlaubnis ihrer Eltern würde einholen müssen, dann flatterte dieser Gedanke auch schon wieder davon, fortgeweht von einem ungeheuren Gefühl des Glücks. »Danke, Lady Alford, unheimlich gerne!«
    Als Grace ins Freie trat, empfing die milde Julinacht sie mit einer schwerelosen Frische, die beinahe kühl war auf ihren durchwärmten Oberarmen und Schultern. Unter ihren Sohlen knisterte der längst wieder getrocknete Boden, raschelten sanft die kurz gehaltenen Grashalme. Eine einsame Grille wagte sich an ihr zaghaftes Lied, das durch die Nacht zitterte und immer wieder verstummte. Als lauschte sie nebenbei den Stimmen der Schemen, die sich gegen den Lichtschein aus der Turnhalle abzeichneten: Väter, die im traulichen Halblicht ihren Söhnen Anerkennung aussprachen oder ihnen Ratschläge für die Zukunft erteilten. Töchter, die ihren Müttern die Vorzüge eines bestimmten jungen Mannes anpriesen, oder solche, die die geäußerte Begeisterung ihrer Mutter für einen gewissen Offizier als künftigen Ehemann schweigend überdachten. Freunde, denen mit ihrem Auszug aus dem College ein Abschied auf ungewisse Zeit bevorstand und die sich noch einmal ewige Verbundenheit schworen. Liebespaare, die sich gegenseitig Zärtlichkeiten zuflüsterten, einander den Himmel versprachen und auf den anderen zu warten gelobten, sich zu heimlichen Küssen hinreißen ließen, sobald sie sichunbeobachtet glaubten. Damit bei aller Nachsicht mit Jugend, Verliebtheit und Feierlaune die Schicklichkeit gewahrt blieb, patrouillierten in regelmäßigen Abständen Offiziere des Colleges über das Gelände. Zwei von ihnen nahmen aus einigen Schritt Entfernung gerade eine Handvoll Jungoffiziere in Augenschein, die mit Gläsern in der Hand auf dem Cricketrasen lagerten.
    »... Radau die ganze Nacht«, schmetterten sie aus rauen Kehlen und reichlich schief in den Nachthimmel hinauf. »... weeeeeillll ... Scham-pus-Char-lie, ja, so heeiiß ich! Scham-pus-Char-lie, ja, so heeiiß ich! Bin im Spiel der Nacht dabeeii ...« Einer der frischgebackenen Offiziere hatte Grace erspäht und rutschte kniend über den Rasen auf sie zu, während er mit dramatisch ausgebreiteten Armen weitergrölte: »Bin im Spiel der Nacht dabeeiiii! Scham-pus-Char-lie, ja, so heeiiß ich!«
    Grace lachte, als sie an ihm vorüberging. Mit einem kurzen Salut entboten die beiden Offiziere der Aufsicht ihr den Gruß. »Guten Abend, Miss Norbury. Alles in Ordnung?«
    »Guten Abend, Lieutenant Mellow – Lieutenant Smith. Ja, danke, alles in Ordnung.«
    Grace’ Weg schien ziellos, wie ein müßiges Umherflanieren. Doch das war er nicht. Wie eine Kompassnadel, die unbeirrbar auf den Nordpol zeigt, richtete sie ihre Schritte hinüber zum Polofeld. Hin zu der einzelnen, kaum erkennbaren Silhouette, die sie mehr spürte denn sah.
    »Hallo«, sagte sie leise, als sie hinzutrat.
    Jeremy wandte den Kopf, so ruhig, so wenig überrascht, als hätte er nur auf sie gewartet. »Hallo, Grace.«
    Eine Weile standen sie still nebeneinander, im Grillengezirp und dem Flüstern der nächtlichen Spaziergänger. Die temperamentvolle Musik aus der Turnhalle brandete an sie heran, und die angetrunkenen Jungoffiziere besangen weiter die

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