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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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seine Frau, »möchte je wieder erleben, dass es dir so schlecht geht.«
    »Ich auch nicht, Papa, glaub mir.« Hoffnung keimte in Ada auf, machte ihre Stimme weich, beinahe schmeichlerisch. »Aber ich will es trotzdem noch einmal versuchen. Bitte – gebt mir eine zweite Chance. Ich weiß, dass ich es dieses Mal besser machen kann.«
    Nachdenklich strich sich der Colonel über seinen Bart, deutete dann auf den beschriebenen Bogen auf dem Tisch. »Miss Sidgwick schreibt, du würdest gern Musik und Kunst als Fächer belegen.« Ada nickte, und die Brauen ihres Vaters hoben sich. »Wozu brauchst du dafür das Bedford? Malen und Musizieren kannst du auch hier, auf Shamley. Wenn du weiteren Unterricht möchtest, stellen wir auch einen Hauslehrer für dich ein.«
    Ein mehr als großzügiges Angebot, das wusste Ada, aber das war nicht das, was sie wollte. »Ich möchte einen Abschluss vom College haben. Ich – ich möchte später selbst unterrichten.«
    Unwillkürlich duckte sie sich, als eisblaue Blitze sie trafen. »Ich hab mich wohl verhört?!«
    Sie schüttelte mit betretener Miene den Kopf. »Nein, Papa. Ich möchte Lehrerin werden wie Miss Sidg-«
    Ada und ihre Mutter zuckten zusammen, als die flache Hand des Colonels auf den Tisch knallte und das Teegeschirr unter leisem Klirren erbeben ließ. »Jetzt schlägt’s dreizehn! Keine Norbury ist je so tief gesunken, dass sie arbeiten musste! Schon gar nicht als Lehrerin!«
    Tabby huschte mit hochgerecktem Schwanz auf ihren Samtpfoten davon, und Gladdy schlich mit tief eingezogenem Kopf und Elendsmiene in Richtung des Hauses.
    »Aber Mama hat doch auch allein Shamley geleitet, während du –«
    »Hat dir etwa Digby-Jones diese Flausen in den Kopf gesetzt?«
    Ada starrte ihren Vater erschrocken an, und voller Entsetzen spürte sie, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. »N... nein«, stotterte sie. »Ich bin ganz allein darauf gekommen, in der Zeit, als ich fort war.«
    »Wenn ich gewusst hätte, dass du mit solch absurden, solch inakzeptablen Ideen zu uns nach Hause zurückkehrst, hätte ich dich niemals –«
    Als die Stimmen des Colonels und Adas immer lauter und erregter wurden, sprang Grace auf. Die sanfte Tonlage Constances ging dazwischen fast völlig unter, wie auch ihre Bemühungen um Vermittlung zwischen Vater und Tochter scheiterten. Grace wog gerade noch ab, ob es für Ada hilfreich wäre, wenn sie sich der Anordnung ihres Vaters widersetzte und sich einmischte, da riss Ada sich von ihrer Mutter los und rannte tränenblind auf das Haus zu.
    Grace lief ihr entgegen, fing ihre Schwester in den Armen auf, drückte sie an sich.
    »Er lässt mich nicht, Gracie!«, schluchzte Ada an ihrer Schulter. »Er will nichts mehr davon hören!«
    Stumm sah Grace hinüber zu der Eiche, wo ihr Vater von seinem Stuhl emporgeschnellt war und seiner Aufgebrachtheit in Worten und Gesten freien Lauf ließ. Es schien unwahrscheinlich,dass sein Zorn rasch wieder verrauchen würde, obwohl Constance besänftigend auf ihn einredete, nicht nachließ, ihn begütigend bei der Hand zu nehmen, die er ihr jedes Mal wieder entzog. Grace’ Magen ballte sich zu einem harten Knäuel zusammen. Es brauchte einiges, um den Colonel derart außer Fassung zu bringen; selbst in den keineswegs nüchtern geführten Auseinandersetzungen um Stephens Zukunft hatte er nie die Beherrschung verloren. Vor allem hatte es auf Shamley Green noch nie einen solch heftigen Streit zwischen dem Colonel und Ada gegeben, die er immer gehütet hatte wie seinen Augapfel und die ihm das mit zärtlicher Hingabe vergalt. Und Grace hegte den Verdacht, dass der Anwesenheit von Simon Digby-Jones auf Shamley Green eine besondere Rolle in diesem Zerwürfnis zukam.
    »Zieh dir Schuhe an und hol deinen Hut«, murmelte sie tröstend gegen Adas Schläfe. »Lass uns zum Fluss hinuntergehen.«
    In einem weiten Bogen schlenderten sie am Haus und dem angrenzenden Eichenhain, dem von Rohr und Schilf halb überwachsenen Teich vorbei, durch Wiesen und überreife Getreidefelder, aus denen Lerchen in steilem Flug aufstiegen und dabei ihr fröhliches Lied zur Erde herabperlen ließen. Ada wischte die Tränen fort, die ihr immer wieder über die Wangen liefen, während sie der Schwester ihr Herz ausschüttete. Ada gab die Auseinandersetzung mit ihrem Vater wieder und schilderte ihre Wünsche für ihre Zukunft. Und sie erzählte von Miss Sidgwick. Deren unabhängiges Leben – mit eigenem Geld und eigener Wohnung! –, erfüllt von Musik und Kunst

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