Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
Eindruck, du fürchtest dich vor den vielen Menschen. Du hast beide Anlässe doch ganz vorzüglich gemeistert!«
    »Nein, Mama, das ist es nicht.«
    Grace hatte sich aufgerichtet und reckte sich nach Ada, legte ihr die Hand auf das Schienbein. »Was hast du, Ads?« flüsterte sie ihrer kleinen Schwester zu, doch diese schüttelte nur abwehrend den Kopf.
    »Was ist es dann?« Constance Norburys Besorgnis schlug um in Ratlosigkeit.
    Ada legte die Kohle auf den Skizzenblock und umschlang ihre Knie. Schweigend sah sie zu, wie Gladdy sich mit auf den Boden gehefteter Schnauze zielstrebig ein ganz bestimmtes Fleckchen Rasen aussuchte und sich der Länge nach hinwarf, sich unter wohligen Grunzern auf dem Rücken wälzte und dann schüttelte, bevor er in den Schatten eines Baumes trabte und sich mit einem Schnaufen niederfallen ließ.
    »Ada – deine Mutter hat dich etwas gefragt«, ermahnte der Colonel sie nachsichtig.
    Angst schlug ihre Klauen in Adas Herz. Jetzt oder womöglich nie mehr. Sie wünschte sich so sehr, Simon an ihrer Seite zu haben, dass das Sehnen nach ihm mit aller an Macht an ihr zerrte. Und ihr war, als flüsterte er ihr ins Ohr: Du schaffst das, Ada . Das weiß ich.
    Sie atmete tief durch, wandte den Kopf und sah ihre Eltern an. »Ich möchte im Herbst zurück ans Bedford.«
    Die Luft im Garten schien sich zusammenzuballen wie vor einem Gewitter.
    Tapfer hielt Ada dem blau funkelnden Blick des Colonels über den Zeitungsrand hinweg stand.
    »Das halte ich für keine gute Idee«, sagte er schließlich und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.
    Enttäuschung schnürte Adas Magen zusammen, und sie musste schlucken. Grace rutschte neben sie, und der Arm ihrer Schwester, der sich um ihre Schultern legte, gab Ada neue Kraft. »Ich will es aber!«
    Der Colonel ließ die Zeitung sinken und betrachtete seinejüngste Tochter, die immer so brav gewesen war, die immer gehorcht und nie Widerworte gegeben hatte und deren Augen nun so angriffslustig blitzten, und er schwankte sichtlich zwischen Verwunderung und Verärgerung.
    »Bitte, Papa, erlaub es ihr!«, drängte Grace. »Wenn es ihr doch so wichtig ist!«
    »Sie ist ja erst siebzehn – auf ein oder zwei Jahre mehr bis zu ihrem Debüt käme es doch wahrhaftig nicht an«, überlegte Lady Norbury halblaut und sah ihren Mann abwartend an.
    Adas Mut sank, als die Miene ihres Vaters sich verdüsterte. »Grace – lass deine Mutter und mich bitte mit deiner Schwester allein.«
    »Aber Papa –«
    »Grace!« Das metallische Schwingen in seiner Stimme verhieß, dass er mit seiner Geduld am Ende war, und Grace drückte Ada einen Kuss auf die Wange, sammelte ihr Buch und ihre Schuhe ein und erhob sich. Betont langsam ging sie zum Haus hinüber und ließ sich auf einem der Liegestühle im Schatten nieder.
    Auch Ada stand auf und zog aus der Tasche ihres Sommerkleides einen Umschlag, der recht zerknittert aussah, weil sie ihn seit dem ersten Tag nach ihrer Heimkehr unablässig mit sich herumgetragen hatte. Sie trat zu ihren Eltern an den Tisch und legte das Kuvert vor ihren Vater hin. »Hier, Papa – Mama. Ein Brief von Miss Sidgwick an euch.« Unruhig sah sie zu, wie ihr Vater den Umschlag öffnete, den Brief auseinanderfaltete und zu lesen begann. »Sie findet, ich sei begabt, ich hätte mir damals nur die falschen Fächer ausgesucht. Fächer, die mir einfach ...« Ada verstummte, als ihr Vater, ohne aufzublicken, den Finger hob und sie damit bat, zu warten, bis er den Brief ganz gelesen hätte. Sie schenkte ihrer Mutter einen dankbaren Blick, als diese die Hand ihrer Tochter nahm und sie festhielt, als der Colonel das Schreiben an sie weitergab.
    Tabby rekelte sich auf der Decke und begann genüsslich denStoff unter ihr mit den Krallen zu bearbeiten, während Gladdy zu den drei Menschen am Tisch hinüberschielte und dabei seine Stirn fortwährend zu immer neuen Fragezeichen verwarf.
    »Hast du vergessen«, mahnte der Colonel leise an, als Constance den Brief hinlegte, »in welch beklagenswertem Zustand du vom College zurückgekommen bist?«
    Seine Worte waren wie ein Stich mitten in Adas Herz. Wie hätte sie das vergessen können? Die Scham, bloßgestellt zu sein, das Gefühl, so winzig und unbedeutend und dumm zu sein wie ein Wurm – so etwas blieb einem im Gedächtnis haften.
    »Nein, Papa. Das habe ich nicht vergessen«, erwiderte sie kleinlaut und kämpfte gegen die Tränen an, die hinter ihren Lidern brannten.
    »Keiner von uns«, er deutete auf sich und auf

Weitere Kostenlose Bücher