Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
schließlich aufgehen könnte in Blättergrün und Flusswasser, in Himmelsblau und Sonnenlicht und Jeremy.
Adas Augen waren dem Blick ihrer Schwester gefolgt und einige Male zwischen Grace und Jeremy hin und her gewandert. Erst verwundert, dann verstehend. Sie lächelte in sich hinein und ließ sich auf die Fersen nieder. Der feuchte Untergrund gab nach, und Ada machte ein paar taumelnde Schritte zurück, von denen der letzte unter ihrer Sohle einen Ast knackend entzweitrat.
Jegliche Bewegung fror ein. Die drei jungen Männer starrten in das Dickicht, und sie entdeckten die beiden Mädchen, die einen Schreckensmoment lang wie versteinert zurückstarrten. Nur der Cranleigh Waters setzte unbeirrt und unter heiterem Glucksen seinen Weg fort.
Simons Augen weiteten sich, und eine flammende Röte kroch seinen Hals hinauf.
»Heilige Scheiße!«, entfuhr es ihm, und damit brach der Bann.
Stephen explodierte in schallendes Gelächter, und auf der anderen Seite des Flüsschens prusteten seine Schwestern los, wirbelten herum und schlüpften rasch wieder unter den Bäumenund zwischen den Sträuchern hindurch. Sie rannten und sprangen durch die Wiesen wie junge Füllen, lachten aus vollem Hals, vor Übermut und vor Glück, gestreift von der Ahnung einer Sinnlichkeit, die sie gleichermaßen verwirrte und in lebenssprühenden Aufruhr versetzte, bis ihnen die Seiten wehtaten und sie nach Luft schnappten und bis jeglicher Kummer dieses Tages fürs Erste vergessen war.
13
Ada fand keinen Schlaf. Mit offenen Augen starrte sie in die Finsternis und sah immerzu Simon vor sich, wie er nackt im Cranleigh Waters stand, einem den Fluten entstiegenen griechischen Wassergott gleich. Immer wieder drängte ein Kichern in ihrer Kehle herauf, wenn sie an seinen Gesichtsausdruck dachte, nachdem er sie und Grace im Gebüsch entdeckt hatte; ein Kichern, das zugleich Ausdruck ihrer eigenen Verlegenheit war. Jegliche Heiterkeit erstarb jedoch unter den Hitzewellen, die stets aufs Neue durch Ada hindurchrollten. Simons Körperlichkeit war heute Nachmittag über sie hereingebrochen wie ein tosender Sturm, dem sie sich hilflos ausgeliefert fühlte. Die Finger in das Leintuch unter ihr vergraben, presste sie ihr glühendes Gesicht in die Kissen, um es am glatten Stoff zu kühlen.
Doch vergeblich. Das Zirpen der Grillen vor dem Fenster, das zähe Wuaak-wuaak-wuaak der Kröten und Frösche im Teich hinter dem Eichenwald, sonst eine solch besänftigende, einschläfernde Geräuschkulisse, ließen sich nicht ausblenden und schürten noch zusätzlich ihre Unruhe. Und das hohle Rumpeln in ihrem Magen trug das Seine zu Adas Schlaflosigkeit bei.
Eine ungewohnte Stille hatte am Abend über dem Dinnertisch gelastet, obwohl Constance Norbury versucht hatte, mit einfühlsamer Wärme die verhärteten Fronten zwischen dem in eisigem Schweigen verharrenden Colonel und ihrer Jüngsten aufzuweichen, bis sie mit bedrückter Miene ebenfalls verstummte.Eine versonnen dreinblickende Grace stocherte geistesabwesend in Roastbeef und Salat herum, und Simon, der sonst so ein flottes Mundwerk hatte, saß da, rote Flecken auf den Wangen, und hob kein einziges Mal den Blick von seinem Teller. Stephen hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken, und Ada selbst hielt die Lider gesenkt, ein Engegefühl im Hals, ein Flattern im Magen, das es ihr unmöglich machte, mehr als ein paar Bissen hinunterzuwürgen. Allein Jeremy hatte seine übliche Ungerührtheit an den Tag gelegt, schien aber auch nicht unglücklich darüber zu sein, dass kein Tischgespräch in Gang kommen wollte. Als die Tafel aufgehoben wurde, war eine allgemeine Erleichterung zu spüren, und entgegen den Gepflogenheiten der letzten Tage war jeder seiner Wege gegangen, hatte sich mit einem Buch oder der Zeitung, einer Handarbeit oder einfach mit seinen Gedanken in einen Winkel des Hauses oder des Gartens geflüchtet.
Adas Zuflucht war das Piano im Musikzimmer gewesen, doch außer einzelnen Tönen, halbherzig angespielten und dann nachlässig heruntergeklimperten Bruchstücken von Melodien hatten ihre Finger nichts zustande gebracht. Als ob die Musik in ihrem Inneren alle Weisen, die sie jemals gelernt hatte, überlagerte; eine Musik, die sich nicht in Noten und Tastenfolgen übertragen ließ.
Seufzend drehte sie sich auf die andere Seite und schob sich das Kissen unter dem Kopf zurecht. Doch das Bild von Simon, von seinem Gesicht, von seinem Körper, über den das Wasser des Cranleigh perlte, verfolgte sie weiter,
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