Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
und die Hitze in Ada sammelte sich in ihrem Schoß, weckte dort ein süßes, ein schmerzliches Pochen, das nicht mehr weichen wollte.
Die steinerne Anatomie der antiken Statuen, präzise und nüchtern, die in allen Einzelheiten ausgestalteten, aber zweidimensionalen Akte der Fresken und Gemälde hatten Ada in Italien und Griechenland anfangs unangenehm berührt, später fasziniert, und Miss Sidgwicks Erläuterungen hatten schließlich ihre Neugierde vollends geweckt. Zunächst hatte sie es kaumüber sich gebracht, auch nur verschämt anzudeuten, dass sie gern mehr über die körperlichen, die geschlechtlichen Dinge zwischen Männern und Frauen wissen wollte. Doch Miss Sidgwicks unbefangene, natürliche Art, darüber zu sprechen, hatte Ada rasch die Scheu genommen und sie bald mit unverhohlener Wissbegierde und ohne Umschweife nachfragen lassen. Durch das Wissen um diese Dinge hatte Ada sich erwachsener gefühlt, reifer, umso mehr, als das Leben im Süden vor Leidenschaft und Sinnenfreude geradezu strotzte. Aber erst jetzt, mit Simon, hatte dieses Wissen für Ada seine wahre Bedeutung erlangt.
Ada legte den Arm um eines der Kissen, presste es fest an sich. Ihre Gedanken wanderten zu Grace. Wie sie heute Nachmittag am Fluss Jeremy angesehen hatte ... Weniger neugierig denn verlangend. Beinahe vertraut. Gracie und Jeremy? Geraume Zeit grübelte sie darüber nach, wie ihr das Interesse ihrer Schwester an Stephens Freund nur entgangen sein konnte. Ob Grace ebenfalls um diese Dinge wusste? Ich muss mit Gracie über alles reden, sonst platze ich noch! Entschlossen stieg sie aus dem Bett, schlüpfte in ihre Pantoffeln und streifte den dünnen Morgenrock über ihr Nachthemd.
Im dunklen Gang vor der Tür blieb sie dann jedoch stehen, als sich ihr leerer Magen so fest zusammenzog, dass ihr beinahe übel wurde. Das Zimmer ihrer Schwester, durch ein gemeinsam genutztes Badezimmer mit dem ihren verbunden, war nur wenige Schritte entfernt, und der dünne Streifen Licht, der sich unter der Türkante hervorstahl, verriet ihr, dass Grace noch wach war und wohl wieder die halbe Nacht lang lesen würde. Aber mit ihrem gesegneten Appetit hätte Grace bestimmt auch nichts gegen einen Mitternachtsimbiss einzuwenden, und so wandte sich Ada in die entgegengesetzte Richtung und schlich die Treppe hinab, huschte den langen Korridor im Erdgeschoss entlang, an dessen Ende sich Berthas Reich befand: die geräumige Küche nebst gut gefüllter Speisekammer.
Simon schob die Tür zum Garten so lautlos wie möglich wieder zu. Mit einem Blick die Fassade hinauf und in den nächtlichen Garten vergewisserte er sich, dass er auch wirklich auf der richtigen Seite des Hauses stand. Dann zündete er sich die Zigarette an, die er vor dem Schlafengehen bei Stephen geschnorrt hatte, und schüttelte das Streichholz aus.
Das Zimmer meiner Eltern geht nach Osten , hatte Stephen ihm dabei erklärt. Also rauch bloß nicht dort, nicht rings um die Eingangstür und schon gleich gar nicht im Hof! Das wittert mein alter Herr garantiert, selbst im Schlaf, und dann gibt’s Zunder! Das ernste Gespräch unter vier Augen heute Abend mit Colonel Norbury hatte Simon wahrhaftig genügt; es verlangte ihn keineswegs nach einem weiteren.
Simon sog den Rauch tief ein und genoss das Brennen und Kratzen im Hals und in der Brust, unterdrückte ein Husten und blies den Qualm wieder aus. Er ging ein paar Schritte und ließ sich auf einen der Liegestühle fallen.
Es hatte nichts Gutes ahnen lassen, als der Colonel unvermittelt im Türrahmen der Bibliothek stand, wo Simon nach dem Dinner in einem der Sessel lümmelte, ein Buch im Schoß, das er nicht einmal aufgeschlagen hatte; er hatte nur dagesessen und den Klängen des Pianos einige Räume weiter gelauscht, die in ihrer Abgehacktheit, ihrer Zerrissenheit den inneren Aufruhr ausdrückten, den er selbst empfand.
Auf ein Wort, Mr Digby-Jones. In meinem Arbeitszimmer.
Bei der Erinnerung daran, wie die Tür hinter ihm ins Schloss schnappte, an die Schritte des Colonels durch den Raum, an die Art, wie dieser sich im ledergepolsterten Stuhl zurechtsetzte und ihn mit den Augen durchbohrte, musste Simon schlucken. Der Colonel hatte gleich das Wort ergriffen. Mir missfällt die Art der Aufmerksamkeit, die Sie meiner Tochter schenken, Mr Digby-Jones. Simons stotternde Versuche, zu beteuern, dass er von ernsthaften Absichten geleitet sei, verhallten ungehört, weggewischt von einer ungehaltenen Handbewegung des Colonels. Allein das Wort,
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