Jenseits des Protokolls
kontrolliert, und das eben auch in meinem vermeintlichen Zuhause. Bestimmt lag dies auch an den teilweise wirklich absurden Vorschriften, als solche sah ich sie zumindest an. So durften etwa die Fenster nicht mehr geöffnet werden, wenn Christian als Staatsoberhaupt im Hause war. Aber erklären Sie das einmal einem Knirps von zweieinhalb Jahren, der gerne auf den Balkon flitzen will, und das vor allem im Hochsommer, wenn man abends endlich einmal die Möglichkeit hat, durchzulüften?! Nein, an diese Regeln haben wir uns nicht gehalten. Zwar gibt es im Haus auch eine eigene Belüftungsanlage, die im Falle eines Anschlags die Luftzirkulation regelt, doch da habe ich wirklich lieber die Fenster geöffnet und Frischluft getankt.
Immer überlegen zu müssen: Was darf ich in diesem Haus? Was kann ich, was soll ich, was muss ich? – das war kräfteraubend. Man macht nicht einfach, sondern man und wägt nahezu jeden Schritt ab. Laufe ich zum Beispiel bei uns in Großburgwedel auch schon mal im Jogginganzug durchs Haus, war dies in Berlin, in der Pücklerstraße 14, für mich undenkbar. Auch morgens nach dem Aufstehen im Nachthemd auf den Balkon zu gehen, tief Luft zu holen, sich zu recken, den Tag zu begrüßen – in Berlin habe ich mir das verkniffen. Gleichfalls mich zum Beispiel im Bikini oder auch nur in kurzen Shorts mit T-Shirt auf die Terrasse zu setzen und ein wenig Sonne zu tanken. Einen Hintergarten gab es nicht und der vordere Grünbereich war von allen Seiten der Straße aus einsehbar. Auch wenn sie nicht geschaut hätten oder wenn sie höflicherweise so getan hätten, als würden sie nicht schauen – ich spürte die Blicke der Beamten immer in meinem Nacken. Dazu möchte ich sagen, dass die Beamten alle sehr, sehr freundlich waren und selbstverständlich nur ihren Job machten und sie persönlich nichts dafür können, dass ich trotzdem die ganze Situation als sehr einengend und einschränkend empfand.
Das Wohnen in Berlin war das eine, das andere das Arbeiten. Ich hatte nicht wirklich einen Schimmer davon, was mich als Frau des Bundespräsidenten erwartet und was von mir eventuell erwartet wird. Woher auch? Blättert man in Zeitungen und Magazinen, gewinnt man, so finde ich, schnell den Eindruck, dass die Frau des Bundespräsidenten vor allem nur die Begleitung ihres Mannes ist. Eine Frau, die bei Empfängen nett auszusehen und zu lächeln hat und die ihr gereichten Hände schüttelt. Umso überraschter war ich, als mir zum ersten Mal meine eigene Sekretärin gegenüberstand, ebenso noch meine persönliche Referentin, und diese beiden mir dann meine eigenen Büroräume im Schloss Bellevue zeigten. Als ich das Büro betrat, war ich salopp gesagt echt baff und schwer beeindruckt. Das Büro der Frau des Bundespräsidenten befindet sich im Seitenflügel, im ersten Stock im Schloss Bellevue. Von dort aus blickte ich in den Rosengarten, auf der Wiese sah ich häufig Eichhörnchen vorbeiflitzen, manchmal sogar einen Fuchs. Und wenn ich am Schreibtisch saß, schaute ich auf eines von Berlins Wahrzeichen, die Siegessäule mit der Siegesgöttin Viktoria, die in ihrem damals gerade frisch sanierten goldenen Kleid glänzte. Genauso kitschig, wie das klingen mag, genauso schön war es.
Die Sekretärin im Bundespräsidialamt, speziell zuständig für die Bundespräsidentengattin, arbeitet bereits seit knapp 20 Jahren in dieser Position. Nicht nur, dass sie somit schon so einige meiner Vorgängerinnen begleitet hat, sie ist eine sehr organisierte Frau und ich war heilfroh, sie als quasi »Frischling« mit ihrer Erfahrung an meiner Seite zu haben. Sie ist, im Positiven, so verwachsen mit dem Amt, kennt alle Abläufe, kennt alle Ansprechpartner und Regularien. Es gab mir ein Gefühl der Sicherheit.
Mein Arbeitstag als Frau des Bundespräsidenten begann zumeist etwa gegen 9.30 Uhr. Vorher habe ich zu Hause in der Pücklerstraße für Leander und Linus das Frühstück gemacht, danach brachte uns die Polizei im Wagen zur Kita beziehungsweise Schule und danach mich weiter zum Schloss Bellevue. Ich versuchte, die Präsenz im Büro auf vier Tage in der Woche zu beschränken. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, wer da plötzlich alles etwas von einem möchte. Die unterschiedlichsten Vereine und Verbände wandten sich an mein Büro, luden mich zu Veranstaltungen ein, erkundigten sich, ob ich nicht die Schirmherrin bei ihnen werden wolle oder ob ich ein Grußwort sprechen oder einen Vortrag bei einer Veranstaltung von ihnen
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