Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
Vom Netzwerk:
sie gefunden hatten.
    Es mag ungerecht sein, doch nach der Erfahrung mit Maria wollte ich nicht noch einmal einen Versuch mit einem Au-pair-Mädchen wagen. Zumal man die Wochen bis zum Umzug von mir und den Kindern nach Berlin jetzt an einer Hand abzählen konnte. Christian und ich hatten beschlossen, gezielt in der Hauptstadt nach einer Kinderfrau zu suchen. Dies bedeutete jedoch, dass ich bis dahin einmal wieder die Alleinerziehende war, dazu der Haushalt an den Hacken und die Pflichten der Frau des Bundespräsidenten. Und als Letztere dann vielleicht zu sagen: »Nee, sorry, liebe Leute, ich kann da heute nicht bei der Gedenkfeier zum Volkstrauertrag im Deutschen Bundestag teilnehmen. Mein ältester Sohn hat eine fiese Erkältung, liegt mit Fieber im Bett« – Pustekuchen. Das hätte dann gleich wieder für Gesprächsstoff gesorgt, beispielsweise ob denn die werte Frau Wulff sich über die Aufgaben einer Bundespräsidentengattin im Klaren sei, und bestimmt hätte der eine oder andere Journalist eventuell auch infrage gestellt, inwiefern mein Sohn wirklich krank ist und spekuliert, ob es da nicht doch noch ganz andere Gründe geben könnte. Nein, solche Termine waren nicht abzusagen und ich kann es gar nicht oft genug betonen: Zum Glück hatte ich meine Eltern, vor allem meine Mutter, die an solchen Tagen, wenn Leander oder Linus tatsächlich krank waren, für mich einsprang. Die Sache an sich machte dies aber nicht besser. Denn selbstverständlich kamen ganz schnell bei mir wieder die Schuldgefühle auf, keine gute Mutter zu sein. Meine Kinder zu vernachlässigen.
    So gab es in diesen ersten Monaten durchaus den einen und anderen Moment, wenn ich abends alleine in Großburgwedel saß, nach einem Tag als Mutter, als »First Lady« des Landes und als Ehefrau, in denen ich mich fragte, ob es das wirklich alles wert sei. Ich war körperlich am Ende, einfach matt und ausgelaugt. Meine Gesichtshaut schlug bereits Alarm, war trockener, brannte und war ständig gerötet. Und das, wo es gerade erst begonnen hatte. Meinem Mann gegenüber verschwieg ich meine Gefühle und Gedanken. Ich wusste, dass er genug um die Ohren damit hatte, sein neues Amt auszufüllen. Neue Menschen, neue und so viele Termine. Zu den Reisen kam das Alltagsgeschäft, all die administrativen Aufgaben wie Orden verleihen, Botschafter zu akkreditieren und zu verabschieden, Ehrenamtliche für ihr Engagement auszuzeichnen – auch das gehörte zu Christians Pflichten, und er war so sehr mit dem Komplettpaket »Bundespräsident« beschäftigt, dass er nicht realisierte, wie es mir ging. Es fehlte auch die Zeit, darüber zu sprechen. Über uns im Einzelnen, aber auch über uns als Familie und als Paar. Zwar telefonierten Christian und ich abends regelmäßig miteinander, doch jeder von uns beiden merkte, dass der andere eigentlich schon viel zu müde ist, um zu reden.
    Jetzt, im Rückblick, habe ich bereits des Öfteren gedacht, dass wir häufig in diesen ersten Monaten nach Christians Wahl zu sehr mit uns selbst beschäftigt waren und vor lauter »Funktionieren-Müssen« das Beziehungsleben so gut wie auf der Strecke blieb. Es fehlte der Austausch, das aktive Teilnehmen am Leben des anderen. In dieser Zeit hatte wirklich jeder mit sich selbst zu kämpfen. Lange wäre diese Situation nicht gut gegangen, und so war es sicher wichtig, dass auch die Kinder und ich am Morgen des 2. Weihnachtsfeiertages die letzten Umzugskisten packten und uns aufmachten in Richtung neues Zuhause Berlin.
    * Der Name wurde zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geändert.

5 Die Hauptstadt
    »Ach so, Sie wohnen gar nicht in dem Schloss?!« Herrje, ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz als Frau des Bundespräsidenten gehört habe und immer nur lachend den Kopf schüttelte. Es ist nach wie vor ein weitverbreiteter Irrglaube, dass wir als Bundespräsidentenfamilie im Schloss Bellevue gelebt haben. Aber diese Möglichkeit war von vornherein aus Platzgründen ausgeschlossen. Es gibt im Schloss zwar eine Dreizimmerwohnung, knapp 60 Quadratmeter groß, in der Christian zunächst die Monate nach der Wahl lebte. Doch ansonsten ist das Schloss Bellevue komplett auf die Funktion als Amtssitz und damit Arbeitsstelle des Bundespräsidenten ausgerichtet.
    Bereits Christians Vorgänger, Horst Köhler, wohnte daher mit seiner Frau Eva Luise in der Pücklerstraße 14 im Stadtteil Dahlem. Dort steht eine recht herrschaftliche Villa, die 1912 ursprünglich für einen Fabrikbesitzer errichtet,

Weitere Kostenlose Bücher