Jenseits des Protokolls
begehbaren Kleiderschrankes ein circa zwölf Quadratmeter großes Kinderzimmer für Linus wurde . Das Arbeitszimmer verwandelten wir in das Reich von Leander. Im Obergeschoss, wo es inklusive Badezimmer noch einmal eine Fläche von rund 50 Quadratmetern gab, richteten wir das eine Zimmer für Annalena beziehungsweise die Kinderfrau ein, das andere war für Gäste wie etwa meine Eltern gedacht.
Neben den größeren Umbaumaßnahmen musste aber auch erst einmal in der Küche eine richtige Dunstabzugshaube eingebaut werden, ebenso ein größerer Herd und vor allem Ablage- und Arbeitsflächen. Dass es solche Dinge vorher nicht gab beziehungsweise diese nicht voll funktionstüchtig waren, verdeutlichte uns unsere, sagen wir, Ausnahmesituation. Wir waren das erste Bundespräsidentenpaar mit zwei kleineren Kindern. Eine junge Familie, irgendwo mitten im Leben stehend mit ganz natürlichen Bedürfnissen, und genauso brauchten wir ein Zuhause, das dem entsprach.
Die repräsentative Wohnung im Erdgeschoss und die private Wohnung im ersten Stock sind zwei völlig voneinander getrennte Angelegenheiten, werden daher auch komplett separiert abgerechnet. Grundsätzlich steht dem Bundespräsidenten eine Dienstwohnung in Berlin zu, da die Hauptstadt sein Arbeitssitz ist und er von dort aus repräsentieren soll. Der geldwerte Vorteil für die Wohnung wurde mit monatlich 3500 Euro berechnet und entsprechend versteuert.
Das Haus in Großburgwedel für die Villa in Berlin aufzugeben, wäre mich für mich nie infrage gekommen. Dafür verbindet mich mit dieser niedersächsischen Kleinstadt einfach zu viel und dafür fühlte ich mich in unserem Haus auch zu wohl. Darum, um mit Großburgwedel auch so etwas wie einen Rückzugsort zu haben, nahmen wir von dort kaum Möbel mit. Im Grunde waren es wirklich nur die Spielsachen, dazu unsere Anziehsachen und ein großes Trampolin, die mit nach Berlin kamen. Ansonsten aber kauften wir die Einrichtung für zwei Kinderzimmer neu, auch gab es ein neues Ehebett, einen neuen Fernseher, einen Esstisch mit Stühlen, ein neues Sofa und einen kleinen Wohnzimmertisch. Diese Möbel stehen heute übrigens größtenteils in Großburgwedel.
Gleichfalls wie der häufige Irrglaube, wir hätten im Schloss Bellevue gelebt, herrschte die Meinung vor, wir hätten mehr als eine Handvoll Bedienstete bei uns im Haus. Ich weiß nicht, warum diese Gedanken in vielen Köpfen herumschwirrten, aber ich merkte bei dem einen und anderen, der uns privat besuchte, etwa Eltern von Leanders Schulkameraden, das große Erstaunen. Zwar gab es eine Reinigungskraft, doch die kümmerte sich nur um die unteren, repräsentativen Räume. Auch der Koch aus dem Schloss Bellevue kam nur zu uns nach Dahlem, wenn wir offizielle Gäste im Haus empfingen. Toll war jedoch, dass es eine Hausintendanz sowohl für meinen Mann wie auch für mich gab, die uns auf den Dienstreisen begleitete, vor einem Staatsbankett schnell das Abendkleid dämpfte oder den Anzug noch einmal frisch aufbügelte. Aber ging es um unsere privaten Belange, wie etwa das Putzen unserer Privatwohnung, so übernahm ich dies selbst. Zusätzlich haben wir von der Aufwandspauschale meines Mannes in Höhe von monatlich 6500 Euro, die er als Bundespräsident bekam, privates Personal bezahlt. So etwa die Hausdame, die sowieso für die unteren repräsentativen Räume zuständig war. Sie machte auch unsere Wäsche und die Betten, und so musste ich tatsächlich 598 Tage kein Oberhemd bügeln, was schon Luxus war. Überdies mussten wir eine Kinderfrau in Vollzeit anstellen, damit ich meinen Pflichten, wie etwa Auslandsreisen, nachkommen konnte.
So herrschaftlich und für einige sicher auch imposant wirkend diese Villa in Dahlem auch sein mag, ich konnte mich mit dieser Wohnsituation, mit diesem Haus, nie so richtig anfreunden. Der Grund war neben der fehlenden Behaglichkeit vor allem das Gefühl der permanenten Überwachung. Selbst wenn ich die Tür zu unserer privaten Wohnung schloss, fühlte ich mich beobachtet. Selbst wenn ich dann auf dem Sofa vor dem Fernseher saß oder abends im Bett lag und die Beamten in ihrem kleinen Häuschen überhaupt nicht mehr sehen konnte, spürte ich sie in meiner Nähe. Paradoxerweise ließ mich dieses Wissen, dass die Polizisten 24 Stunden, sieben Tage die Woche, darüber wachen, wer das Gründstück betritt, und somit zuständig waren für den Schutz unserer Familie, nicht abschalten. Ich fühlte mich nicht privat, nicht richtig relaxt, sondern stets
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