Jenseits des Protokolls
treffen wollten, einfach so. Das haben wir dann auch irgendwann Mitte April 2012 getan. Es war ein offenes, herzliches Gespräch, in dem Angela Merkel sich nach meinen Plänen erkundigte und auch anbot, mich zu unterstützen, wenn Bedarf bestehe. Und ich weiß, dass sie diese Worte ernst meinte.
Als Frau des Ministerpräsidenten eines Bundeslandes war ich noch eine von vielen und für viele daher auch gar nicht so interessant. Aber als Frau des Bundespräsidenten war ich die Einzige, und so habe ich in Berlin auch den letzten Fitzel an Privatsphäre abgeben müssen. Es wurde alles öffentlich, selbst so etwas Profanes wie der Besuch des Fitnessstudios. Wenn ich die Tür zur Umkleide aufmachte, wurde es ab und an merklich leiser. Hier und da tuschelten Frauen und ich wusste, was sie sagten und dachten: »Ist sie das? Ja, sie ist das.« Und dann wurde erst einmal ausgiebig taxiert und begutachtet. Da geht einem der Spaß am Sport ganz schnell flöten.
Neben all den vielen Terminen war es somit auch aufgrund des Status‘, die Frau des Staatsoberhauptes zu sein, für mich schwierig, privat Menschen kennenzulernen, möglicherweise sogar neue Freundinnen in Berlin zu finden. Daher war ich sehr froh, dass es Katrin gab. Wir trafen uns im Frühjahr 2009 auf dem 40. Geburtstag einer gemeinsamen Freundin in Hannover und Katrin, ursprünglich auch aus Hannover, erzählte, dass sie nun ebenfalls in Berlin leben würde. Und, wie der Zufall es so wollte, sogar auch in Dahlem, Luftlinie nur 300 Meter von uns entfernt. Katrin wurde damit für mich nicht nur eine ortskundige Ansprechpartnerin, ich würde mittlerweile sagen, dass wir über die Monate auch Freundinnen geworden sind.
Von Katrin erfuhr ich erst einmal die wesentlichen und wirklich wichtigen Dinge für das Leben in der Hauptstadt. Zum Beispiel wo es einen guten Kinderarzt gibt, wo ein vernünftiges Lebensmittelgeschäft ist, ein guter Bäcker, eine Reinigung, ein Schuster. Eben die ganz alltäglichen Anlaufstellen. Denn es ist ja schon ein Stück weit paradox: Als Frau des Bundespräsidenten wurde für mich allerhand organisiert, sozusagen auch, wann es mal fünf Minuten während eines Termins gibt, in denen ich kurz auf Toilette verschwinden kann. Aber wie ich die darüber hinaus tatsächlich elementaren Bedürfnisse im Leben in Berlin gewuppt bekam, das interessierte irgendwie keinen.
Gut erinnere ich mich auch noch an ein Frühstück, zu dem Katrin ein paar andere Frauen und mich einlud. Sie wollte, dass ich Kontakte knüpfen kann. Doch schnell war auch bei diesem Zusammensein die Rollenaufteilung klar. Ich merkte, dass die meisten der anderen Frauen nur sehen und hören wollten, wie ich denn so bin, und deutlich wurde mir dies, als eine dann auch sagte: »Normalerweise ist es ja ziemlich schwierig, hier einen Kita-Platz zu bekommen. Aber derartige Probleme hatten Sie wohl nicht, oder?« Ziemlich nüchtern, weil auch genervt von den Vorurteilen und Unterstellungen, erzählte ich dann, dass wir uns selbstverständlich haben auf eine Warteliste setzen lassen. So wie es andere Eltern auch tun . Aber ich hatte den Eindruck dass nur die Hälfte der anwesenden Frauen bei diesem Frühstück, dies mir tatsächlich glaubte. Eher dachten wohl die meisten von ihnen: »Na, beim Bundespräsidenten machen die Kindergärten sicher eine Ausnahme. Die müssen bestimmt nicht auf die Warteliste.« Tatsächlich vorwerfen kann ich es ihnen nicht einmal. Ich denke, es war schwierig für Menschen, die mich noch nicht kannten, mich einfach als »Bettina« oder eben schlicht »Frau Wulff« zu sehen. Irgendwo schob sich da bestimmt das Wissen dazwischen: »Ach ja, nicht vergessen: Die Frau ist ja die Frau des Bundespräsidenten.«
Ich vermisste somit die Nähe, die Natürlichkeit und Unbefangenheit der Menschen mir gegenüber und ich hatte Angst, dass ich all das auch selbst im Auftreten verliere. Zwar hatte ich mir geschworen, meine natürlichen Reaktionen und Gefühle auch trotz des Amtes beizubehalten, zu lachen, wenn mir danach war, auf Menschen zuzugehen, die mir sympathisch erschienen, auch meine Meinung zu sagen, doch ich merkte, dass ich zunehmend an Grenzen stieß. Ich machte gute Miene zum teilweise anstrengenden Spiel, lächelte und antwortete auf die Frage »Wie gefällt Ihnen denn Berlin?« stets höflich: »Großartig. Die Stadt ist so vielfältig, so grün, hat so tolle Seen, ist kulturell so abwechslungsreich«, doch war dies nur die halbe Wahrheit. Ob nun am
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