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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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halten könne. Derartige Anliegen zu beantworten, übernahm zum großen Teil meine persönliche Referentin. Anfangs hatte ich noch die persönliche Referentin von Frau Köhler, doch bereits nach einigen Wochen merkten wir beide, dass es zwischen uns nicht so harmonierte. Daher haben wir die Stelle ausgeschrieben und neu besetzt. Meine persönliche Referentin regelte für mich vor allem sämtliche Terminanfragen und -vorbereitungen, wozu auch das Schreiben von Reden und Vorträgen zählte. Es freut mich übrigens, dies nur am Rande bemerkt, dass sie mit dem Amtsantritt des neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck nun auch für dessen Lebensgefährtin Daniela Schadt zuständig ist.
    Was meine persönliche Referentin nicht für mich übernehmen konnte, waren die zahlreichen Termine selbst. Zum Beispiel die Einweihung eines Wohnprojektes in Köln für HIV-Infizierte, Vorlesestunden in diversen Kindergärten und Schulen, einen Vortrag beim Bayerischen Hospiz- und Palliativverband, der Besuch eines Mehrgenerationenhauses in Bremen . Dazu die Veranstaltungen für die verschiedenen Stiftungen und Einrichtungen wie das Müttergenesungswerk und Unicef , für die ich mich einsetzte. Aber dazu später mehr.
    Ergo: Als Frau des Bundespräsidenten ist man wahrlich mehr als nur das schmückende Beiwerk des Mannes. Die Position auszufüllen ist ein Fulltime-Job. Von einer 40-Stunden-Woche konnte ich nur träumen, haufenweise fallen Überstunden aufgrund von Abendterminen und Dienstreisen an. Daher ist es fast ein Hohn zu erwähnen, dass diese Arbeit wie selbstverständlich vom Bundespräsidialamt vorausgesetzt, aber nicht vergütet wird. Mit Zynismus könnte ich anmerken, dass man als First Lady natürlich für das Land und die Ehre arbeitet. Aber das ist wohl so ähnlich wie die Luft und die Liebe, die dann auch nicht zum Leben ausreichen. Die finanzielle Abhängigkeit von meinem Mann machte mir zu schaffen. Es fiel mir schwer, es war gegen mein Naturell, die Hand aufzuhalten und um etwas zu bitten. Zum Glück sagte Christian von sich aus, dass er mir von seinem Gehalt den Nettobetrag überweisen würde, den ich zuletzt als Pressereferentin bei Rossmann verdient hatte.

    Wenn ich an die Hauptstadt denke, dann denke ich vor allem aber auch an eine bestimmte Person: Angela Merkel. Zum einen, weil sie es war, die Christian überhaupt erst die Chance eröffnete, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren, und damit den Weg ebnete in Richtung Berlin. Zum anderen, weil sie natürlich unweigerlich als Bundeskanzlerin mit Berlin verknüpft ist und überdies auch gemeinsam mit ihrem Mann bei uns in der Pücklerstraße gelegentlich zu Gast war.
    Angela Merkel ist für mich eine wahnsinnig beeindruckende, straighte Frau. Ich finde, sie strahlt so eine ganz eigene Coolness aus, die ich an ihr bewundere. Klar dachte ich anfangs, ganz ähnlich wie bei Christian, die geht zum Lachen sicher in den Keller, aber da lag ich weit daneben. Ähnlich wie Christian hat sie über die Jahre einfach gelernt, ihre Emotionen in der Öffentlichkeit stark zu kontrollieren und das Bild, was dadurch Außenstehende gewinnen, ist dann zumeist völlig anders als die Realität. So finde ich es immer sehr schade, wenn Angela Merkel parodiert wird und es dabei zumeist um ihren Dialekt beziehungsweise ihre Aussprache geht, um ihre Frisur und gerne auch die heruntergezogenen Mundwinkel. Ich habe sie als einen Menschen mit einem tollen Humor, mit sehr viel Ironie und einem ausgeprägten Gespür für andere Menschen kennengelernt. Wenn sie mit ihrem Mann bei uns zum Abendessen war oder auch ohne ihn bei uns alleine auf dem Sofa saß, bei ein wenig Käse, Brot und Rotwein, hatte ich den Eindruck, dass sie auftaute. Angela Merkel erzählte an diesen Abenden gerne von den Wochenenden mit ihrem Stiefenkel oder dem engen Verhältnis zu ihrer Mutter. Auch scherzte sie stets mit Leander und Linus, völlig unverkrampft und in keiner Weise aufgesetzt wirkend, und so ist es kein Wunder, dass Leander sich immer freute, wenn sie kam, und heute noch häufiger fragt, wann wir sie mal wieder sehen.
    Ich glaube schon, dass sie sich bei uns wohlfühlte, und denke auch, ein Stück von dem Menschen hinter der Fassade kennengelernt zu haben. Es hat mich berührt, dass sie mir nachts, nach der Wahl von Christian zum Bundespräsidenten, das Du anbot, und es hat mich ebenso sehr gefreut, dass sie sich auch nach Christians Rücktritt bei mir meldete und fragte, ob wir uns einmal in Berlin

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