Jenseits des Protokolls
Treffen mit Silke auf dem Spielplatz«. Und das ist auch gut so. Denn diese Menschen wie Silke, auch die Nachbarn in Großburgwedel, all meine Freunde sind mir geblieben, obgleich ich eben nicht mehr die Frau des Bundespräsidenten bin. So erscheint es nur dem Außenstehenden banal und unbedeutend, eine derartige Verabredung mit einer Silke, einem Andreas oder einer Katrin. Für mich aber ist es ein schönes und wichtiges Gefühl, was ich damit verbinde. Es gibt mir Substanz und es weicht ab von dem eben erlebten Oberflächlichen. Apropos: In der Zeit in Berlin, als Frau des Bundespräsidenten, war ich doch das eine und andere Mal sehr überrascht, welche Bedeutung Banalem beigemessen wird. Dass selbst unwichtigste Dinge für Schlagzeilen in der Presse sorgen …
8 Das Tattoo
»Attraktiv, blond, tätowiert« – die ersten drei Worte eines Artikels in der Rheinischen Post . »Jung, unkonventionell, tätowiert« – die ersten drei Worte eines Artikels in der Berliner Morgenpost und es ist schon richtig toll, auf welche Attribute ich von manch einer Zeitung reduziert wurde. Aber im Ernst: Auch das Magazin Focus titelte in einer Ausgabe »Mit Tattoo ins Schloss Bellevue«, die Bunte wählte die Überschrift »First Lady mit Tattoo« und selbst die chinesische Zeitung Huanqiu Shibao widmete meinem Tribal-Motiv einen Bericht inklusive Foto.
Ist es nicht absolut verrückt, welche Aufmerksamkeit dieses Tattoo an meinem Oberarm auf sich zog? Was darüber alles in den Medien geschrieben wurde, auch was für totaler Nonsens?! Ich erinnere mich noch gut an nennen wir es mal den ersten öffentlichen Auftritt meines Tattoos. Es war Ende März 2009 beim Steiger Award in Bochum. Während des ganzen Abends waren bei dieser Veranstaltung Medien erlaubt. Diese immense Präsenz einfach auszublenden, das muss man wirklich lernen. Es ist am Anfang nicht leicht, sich keinen Kopf darüber zu machen, ob man vielleicht gerade beim Essen, beim Kauen, Trinken, Runterschlucken, eher unvorteilhaft aussieht und dass die Fotografen nur auf so ein Bild warten. Beim Hantieren mit Messer und Gabel ist mir an diesem Abend dann unglücklicherweise mein Schal, den ich um die Schultern trug, heruntergerutscht. Prompt drückte ein Bild -Fotograf auf den Auslöser und am nächsten Morgen bekam die geneigte Leserschaft die Schlagzeile serviert: »Landesmutter mit Tattoo!« Und damit nicht genug. Einige Tage später fragte die Bild -Zeitung sogar ihre Leserinnen: »Haben auch Sie so ein Tattoo wie Bettina Wulff?« Und weiter hieß es in dem Aufruf: »Dann seien Sie mutig, zeigen Sie Ihre Schulter! Und posen Sie vor der Kamera wie die Präsidentengattin.« Als Belohnung winkten zwischen 50 und 500 Euro. Aber von wegen posen – klar dachte der Großteil der Journaille, ich zeige da ganz bewusst mein Tattoo. Dabei ziehe ich auf besagtem Foto den Schal nicht runter, sondern rauf.
Und dann die ganzen Diskussionen und Vermutungen, was das Tattoo denn bedeuten könnte, warum ich es mir habe stechen lassen … Laut gelacht habe ich zum Beispiel über die Zeilen in der FAZ . Dort wurde mit Humor gerätselt: »Was soll das sein? Ein Schlüsselloch, von Flammen umzüngelt, darunter zwei grafisch aufgelöste Zwiebeln? Oder Blütenschemazeichnungen aus dem Biologiebuch und die Umrisse westfriesischer Inseln rechts und links daneben?«
Aber die Wahrheit ist ganz einfach: Das Tattoo hat keine bestimmte Bedeutung. Ich habe es mir auch nicht aufgrund von etwa Trennungsschmerz oder großer Verliebtheit oder was auch immer stechen lassen. Ich wollte einfach eines haben, schon seit ich 20 war. Doch lange Zeit habe ich mich nicht getraut. Zweimal war ich in einem Tätowierstudio in Hannover und habe beim Anblick der Tätowiermaschinen mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend ruck, zuck wieder auf dem Absatz kehrtgemacht. Mit 28, kurz nachdem ich meinen Freund Torsten kennengelernt hatte, bin ich dann noch einmal zum Tätowierer. Mit dabei hatte ich eine Vorlage aus einer Tattoozeitschrift und geplant war eigentlich, dass das Tattoo sich von der rechten Schulter hinab bis zum Ellenbogen zieht. Meine Wahl war auf ein großes Tribal gefallen und ich dachte: »Wenn schon, dann aber richtig.« So gesehen war mein jetziges Tattoo erst der Anfang und noch lange nicht fertig. Als ich den zweiten Termin beim Tätowierer hinter mir hatte und das Tribal, so wie es jetzt ist, fertig war, hätte es noch weitere Termine geben sollen – es war ja noch viel Platz bis zum
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