Jenseits des Protokolls
Termin in meinem Kalender stand, morgens gegen 4 Uhr in der Früh aufwachte, war mir schon übel, speiübel. Es ist leider eine blöde Angewohnheit von mir, die ich nicht in den Griff bekomme: Bin ich zu aufgeregt, wird mir schlecht. Und an diesem Tag war ich aufgeregt. Erstens, weil es einer meiner ersten offiziellen Termine ohne Christian war. Zweitens, weil ich Michelle Obama eine großartige Frau finde. Sie ist intelligent, souverän, macht einen absolut selbstbestimmten Eindruck. Sie zu treffen, empfand ich als eine Ehre. So kämpfte ich auf dem Weg zum US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Rheinland-Pfalz die ganze Zeit mit meiner starken Übelkeit und betete inständig: Lieber Gott, lass mich nicht vor dieser Frau bewusstlos werden.
Anlass des Besuchs von Michelle Obama war der Veterans Day , ein amerikanischer Gedenktag zu Ehren der Kriegsveteranen. Von den Mitarbeitern des Bundespräsidialamtes hatte ich einen Gesprächsleitfaden bekommen. Tatsächlich besprechen sich vor so einem Treffen die jeweilig zuständigen Mitarbeiter der Person, die persönlichen Assistenten beziehungsweise Assistentinnen, und haken ab, wer sich für was interessiert und engagiert und stellen daraufhin eine Informationsmappe zusammen, sogar mit kleinen Sprechzetteln, kleinen Spickzetteln, auf denen die Fragen notiert sind, die man seinem Gegenüber stellen kann.
Ich empfand es als eine skurrile Situation: Da war eine Frau, die ich so häufig im Fernsehen oder in den Zeitungen gesehen hatte, und auf einmal saß ich ihr in einem Sessel gegenüber, zwischen uns nur wenige Zentimeter Abstand, und quasi auf Knopfdruck musste der Small Talk gelingen. Ich war nervös, hatte Angst, die Fragen zu vergessen, und zudem noch dieses flaue Gefühl im Magen – es war ein Glück, mit Michelle Obama eine routinierte Präsidentengattin an der Seite zu haben. Sie erzählte von ihrer Kampagne »Let’s Move«, mit der sie in den USA gegen die verbreitete Fettleibigkeit in der Bevölkerung angeht, wir sprachen über Bildungschancen für Kinder in unserem jeweiligen Land. Leider waren für das Gespräch nur 30 Minuten angesetzt. Und leider gab es diese Vorgaben zu den Themen. Gerne hätte ich Michelle Obama beispielsweise auch gefragt, wie viel Einfluss sie auf die Regierungsarbeit ihres Mannes hat und wie sie die starke Beobachtung empfindet, diesen Verzicht auf ein Privatleben. Trotzdem war ich auch so am Ende dieser knappen halben Stunde noch mehr von ihr beeindruckt als bereits zuvor: Michelle Obama ist eine sehr selbstbewusste Frau, die entgegen der ganzen Zwänge des Protokolls viel von ihrer Natürlichkeit bewahrt hat. Sie war locker und entspannt. In keiner Weise hatte ich das Gefühl, dass es für sie nur der x-te Termin ist, den sie absolvieren muss.
Aber trotz dieser Sympathie, die ich auf ihrer Seite auch mir gegenüber spürte, ist es utopisch zu meinen, so eine Frau könnte eine Freundin werden für mich. Generell ist das, glaube ich, schwierig. Zu stark engen Vorschriften ein und zu sehr ist man in diesen Momenten eben nicht »Bettina Wulff«, sondern die Frau des Bundespräsidenten. Da geht es wirklich darum, dass die Fassade stimmt und man die Spielregeln dieses Business beherrscht. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass Michelle Obama mir nach unserem Treffen noch einen Brief geschrieben hat. Tatsächlich läuft so etwas alles ganz klassisch über die Post – von Botschaft zu Botschaft. Michelle Obama bedankte sich für das Treffen und meinte, sie freue sich auf ein nächstes Mal. Paradox: Da so ein Schreiben nicht als private Korrespondenz gesehen wird, liegt dieser Brief jetzt ordentlich abgeheftet bei den Akten im Bundespräsidialamt.
Jene mit Michelle Obama war sicher eine der Begegnungen, die mich am nachhaltigsten beeindruckt haben. Aber auch Scheicha Musa, verheiratet mit dem Scheich Hamad, Emir von Katar, wird mir immer vor Augen bleiben. Nie zuvor habe ich eine derart charismatische Frau getroffen. Wenn sie den Raum betritt, kann man gar nicht anders: Man starrt sie einfach an. Mir zumindest erging es so. Sie sieht umwerfend gut aus, ist Mutter von sieben Kindern und strahlt eine Präsenz aus, daneben fühlt man sich selbst wie das Aschenputtel. Und ich könnte noch andere Personen aufzählen, die mir imponierten oder wo das Aufeinandertreffen so besonders war, weil ich weiß, dass ich es unter normalen Umständen nie erlebt hätte. Natürlich gehört dazu der Besuch des Papstes in Berlin, am 22. September 2011. Für
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