Jenseits des Protokolls
aufzutauchen. Das ist auch eine Form des Respekts, die man mit seiner Kleidung ausdrückt. Die Nachbarn in Großburgwedel, meine Freunde, meine Familie, sie kennen mich in Jeans mit Sweatshirt-Jacke und Sneakers genauso wie mit knielangem Rock, Bluse und Ballerinas oder aber im klassischen Hosenanzug oder einem schicken Kostüm. Ich bin keine der Frauen mit einem überquellenden Schuhschrank. Ich denke, ich besitze so an die 40 Paar. Ich bin auch keine der Frauen, auch wenn mir das gerne seitens der Presse angedichtet wurde, die jede Woche einmal eine große Shoppingtour haben muss, um im seelischen Gleichgewicht zu bleiben.
Solange Christian Ministerpräsident von Niedersachsen war, machte ich mir um meine Garderobe wenig Gedanken. Es gab einfach nicht so viele Events, an denen auch ich teilnehmen sollte. Und für die paar Veranstaltungen, bei denen ich Christian begleitete, reichte der damalige Inhalt meines Kleiderschrankes völlig aus. Ich hatte ein paar Jeans, Shirts, Blusen, Pullover, Stoffhosen, ein paar schicke Kleider, kurz und auch länger, und berufsbedingt, als Pressereferentin von Rossmann, selbstverständlich auch zwei bis drei klassische Kostüme und Hosenanzüge. Für meinen Alltag und das Dasein als Partnerin eines Ministerpräsidenten perfekt. Dies änderte sich jedoch nahezu schlagartig mit Christians Nominierung und späteren Wahl zum Bundespräsidenten. Noch stärker als zuvor stand auch ich im öffentlichen Interesse der Medien. Es brauchte keinerlei Erfahrung im Umgang mit einem öffentlichen Amt, es reichte ein Blick in People-Magazine wie Gala oder Bunte mit all ihren Berichten über Michelle Obama, Carla Bruni und Co., um zu wissen: Mode regiert (mit) die Welt! Bei all der kritischen medialen Beobachtung, wo es schon nahezu als Fauxpas gilt, zweimal das Gleiche anzuziehen, musste ich erst einmal meine Auswahl im Kleiderschrank kräftig pimpen und shoppte daher in Hannovers Innenstadt auf einen Schlag zwei Kostüme, einen Rock, einen Blazer und ein langes Abendkleid. Übrigens auch später, als wir bereits in Berlin wohnten, bin ich zum Einkaufen lieber nach Hannover gefahren. Ich konnte mich mit Berlin auch in dieser Hinsicht schlecht anfreunden. In Hannover aber hatte und habe ich meine Lieblingsläden. Ich weiß, wo ich die Klamotten bekomme, die mir passen und gefallen. Dass deutsche Designer und Modehersteller gezielt auf mich zukamen und mir Kleider zum Tragen anboten, das kam übrigens erst etwa ein halbes Jahr nach Christians Amtsantritt. Aber dazu an anderer Stelle mehr. Lediglich der Kontakt zur Designerin Sonja Kiefer bestand bereits damals.
Als Frau des Bundespräsidenten hat man keinen Stylisten, der einen in puncto Kleidung berät. Den hätte ich mir aber ab und an durchaus gewünscht, gerade in den ersten Wochen und Monaten nach Christians Wahl. Denn woher, bitte schön, sollte ich denn wissen, was man bei einem Staatsbesuch anziehen sollte und was besser nicht? So musste ich mir denn gefallen lassen, dass sich die Presse nach unserem Besuch im Moskauer Kreml, im Oktober 2010, über meine hohen schwarzen Stiefel und den Mantel, den ich nicht ausgezogen habe, mokierte. Eine große deutsche Sonntagszeitung zeigte mich daraufhin als Papier-Anziehpuppe mit ein paar Kleidungsstücken zur Auswahl und ich weiß noch, wie mein Sohn Leander ganz aufgeregt mit diesem Artikel morgens zu mir ins Bad geflitzt kam und meinte: »Guck mal, Mama, dich gibt’s jetzt auch zum Ausschneiden!«
Das war schon recht lustig. Ebenso übrigens einige Interpretationen zu meinen Frisuren, im Speziellen dem Pferdeschwanz. So wurde etwa auf Zeit.de gemutmaßt, was dieser Look über meine Persönlichkeit aussagen könne. Da hieß es: » Der Pferdeschwanz unserer First Lady befand sich eine ganze Handbreit über dem Nacken. Also über der Position gesetzter Damenhaftigkeit und unter der kindlicher Mädchenhaftigkeit. Er befand sich genau dazwischen. « Und als mögliche Begründung dafür wurde gleich noch mitgeliefert: »Dass Bettina Wulff auch anders, dass sie genauso gut ein 18-jähriges Girlie sein könnte, wie sie jetzt First Lady ist. Insofern steckt in ihrem Pferdeschwanz eine sehr moderne Auffassung von Lebensrollen .« Interessant.
Mir war es wichtig, mich als Frau des Bundespräsidenten, wenn es der Anlass hergab, immer wieder auch ganz offiziell leger in Jeans und Bluse zu zeigen, wie etwa bei einer Pressekonferenz im November 2010 zur Arbeit der Stiftung »Eine Chance für Kinder«. Wenn man
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