Jenseits des Protokolls
Ellenbogen –, aber dann kam immer etwas dazwischen. Zunächst wurde ich schwanger – statt beim Tätowierer, saß ich bei der Gynäkologin und im Geburtsvorbereitungskurs. Dann kam 2003 Leander auf die Welt – statt mir Gedanken über mein Tribal zu machen, wechselte ich Windeln, machte Fläschchen und schob den Kinderwagen durch die Parks. Dann trennten Torsten und ich uns – statt mein Tattoo zu vergrößern, versuchte ich mich im Alltag als alleinerziehende zurechtzufinden, meinen Job gut zu machen und für mich und meinen Sohn eine Basis aufzubauen. Und als ich dann tatsächlich gerade wieder den Kopf einigermaßen frei hatte, Leander aus dem Gröbsten heraus war und ich vermehrt auch wieder an mich denken konnte, da lernte ich Christian kennen. Und eine Frau mit einem womöglich komplett tätowierten Oberarm an der Seite eines Spitzenpolitikers – darüber hätte sich die Presse mit höchster Wahrscheinlichkeit noch mehr ausgelassen, als sie es ohnehin schon über mein Tattoo getan hat.
Ich verabschiedete mich von der Aussicht, meinem Tätowierer erneut einen Besuch abzustatten, und fand das eigentlich richtig schade. Denn mein Tattoo ist keine Jugendsünde, sondern ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden. Ich verbinde damit, dass ich etwas gemacht habe, was ich unbedingt machen und haben wollte. Es zeigt ein Stück Lebensgefühl. Ein Stück meiner Überzeugung, wenn man so will, ein Stück meines Ichs und weil ich mich dafür nicht schäme, im Gegenteil. Ich habe mir das Tattoo auch nicht auf eine Pobacke oder unter die Fußsohlen stechen lassen, sondern an einer Stelle, wo man es sehen kann, wenn mir danach ist.
Mein Tattoo ist ein Teil von mir, und so habe ich auch nie, wirklich kein einziges Mal, darüber nachgedacht, es weglasern zu lassen. Auch nicht, als Christian und ich ein Paar wurden oder später die Presse über meine Tätowierung diskutierte. Denn ich selber finde sie ja gut. Natürlich wählte ich als Frau des Bundespräsidenten, besonders bei offiziellen Anlässen, schon eine Klamotte, die das Tattoo verdeckte. Eben damit nicht am nächsten Tag eine Schlagzeile über meine Tätowierung vom eigentlichen, wesentlichen Geschehen ablenkte.
Nur zu einem Termin versuchte ich tatsächlich einmal, das Tattoo zu überschminken, nämlich zur Hochzeit von Fürst Albert von Monaco und Charlene Wittstock im Juli 2011. Ich wollte abends ein schulterfreies weiß-rot gestreiftes Sommerkleid anziehen, kaufte mir daher spezielle Abdeckschminke und ging ans Werk – mit einem gruseligen Ergebnis. Am Ende des ganzen Abtupfens schimmerte das Tattoo trotzdem noch durch und alles in allem sah es aus wie ein riesengroßer Bluterguss. Das war natürlich zu solch einem Anlass, einer royalen Hochzeit, schlicht unangemessen, sodass das Kleid im Schrank hängen blieb und die Wahl auf ein korallenfarbenes langes Kleid mit kleinen Ärmeln fiel. Für das Nachmittagsprogramm hatte ich ein langärmeliges beigefarbenes Mantelkleid von Rena Lange ausgesucht und für diese Wahl musste ich später echt viel Spott und Kritik einstecken. Zugegeben: Das Kleid saß nicht so perfekt, aber die Farbe mochte ich schon. Und wäre ich da in einem pinkfarbenen dünnen Flatterkleidchen aufmarschiert, hätte ich mir gewiss auch einige bissige Kommentare anhören müssen. So war es halt das Mantelkleid und die Berliner Morgenpost sprach von einem »ziemlich trutschigen Outfit«, auf Sueddeutsche.de war von einem »Kittelschurz-Kleid in fadem Beige« zu lesen und anderswo im Internet stand, dass ich in dem Outfit »mindestens 20 Jahre älter und zehn Kilogramm schwerer« aussah.
Da kann das Fell noch so dick sein – das liest keine Frau gerne über sich. Aber auch daran musste ich mich als Gattin des Bundespräsidenten gewöhnen: Mit Argusaugen wurde meine Kleidungswahl verfolgt, mit teils spitzer Feder bewertet und recht machen konnte ich es eh nicht allen.
Ich würde meinen privaten Kleidungsstil als locker und leger, klar und unkompliziert beschreiben. Ich stehe nicht morgens vor dem Schrank und grübele ewig, was ich denn nun anziehen könnte. Vielmehr entscheide ich nach meiner Laune, zum größten Teil aus dem Bauch heraus und mit einem Blick in meinen Terminkalender. Ein gepflegtes Erscheinungsbild war und ist mir wichtig, so viel steht fest. Ebenso, wie seinem Gegenüber und dem Anlass entsprechend angezogen zu sein. Es geht meiner Meinung nach nicht, bei einer royalen Hochzeit oder einem Staatsbankett in Jeans
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