Jenseits des Protokolls
Christian als gläubigen Katholiken ein noch größerer Moment, als für mich. Ich bin gläubige Protestantin, Leander und Linus sind ebenfalls evangelisch getauft. Die Begegnung mit Papst Benedikt XVI. aber werde ich als positiv in Erinnerung behalten. Der Papst ist viel menschlicher, als ich es mir vorgestellt hatte. Zu einem Übermenschen machen ihn manch andere. Er aber, so habe ich es erlebt, ist ein fast ganz normaler Mann, dem das Alter selbstverständlich langsam zu schaffen macht, und er sich so nach dem offiziellen Programm erst einmal bei uns im Schloss Bellevue auf einen Stuhl setzte, die Augen schloss und sich kurz ausruhte. Er erschien mir in diesem Moment sehr entspannt. Sein ganzes Verhalten gab ihm die Menschlichkeit, die ich an einem Oberhaupt der Kirche sehen möchte.
Auch wird der Besuch im Kreml, im Oktober 2010, für mich unvergesslich bleiben, dies aus ganz verschiedenen Gründen. Zum einen war es eine meiner ersten Auslandsreisen mit Christian. Zum anderen waren da diese Soldaten, die im Stechschritt an mir und meinem Mann vorbeimarschierten, dazu eine derart laute Marschmusik, dass ich glaubte, danach gewiss tagelang unter einem Tinnitus zu leiden. Das Prozedere, dieser ganze Drill, war mir unangenehm. Ich dachte nur: »Die Armen!« Es fiel mir schwer, meine eigene Meinung hintenanzustellen und zu akzeptieren, dass dies zum Protokoll des Landes eben dazugehört. Übrigens: Von dem Auftritt des kleinen Regenwurms, der wohl hartnäckig den Säuberungsaktionen des Küchenpersonals getrotzt hatte und so einem Gouverneur beim Bankett zu Ehren unseres Besuches mit dem Salat serviert wurde, bekamen mein Mann und ich in dem Moment gar nichts mit. Darüber lasen wir erst später seitenweise in den Medien. Schon verrückt, was dieser winzige Wurm für Schlagzeilen machte.
Gerne erinnere ich mich auch an Roger Moore, ein toller Mann. Der Schauspieler ist Ehrenbotschafter von Unicef und da ich als Frau des Bundespräsidenten Schirmherrin von Unicef war, hatten wir, wenn wir uns trafen, etwa auf der Hochzeit von Prinz Albert von Monaco, ein gemeinsames Gesprächsthema. Auf der einen Seite ist Roger Moore trotz seiner mittlerweile über 80 Jahre auch in Wirklichkeit noch immer ein so cooler Typ, wie er es in den James-Bond-Filmen war, aber er ist auch ungemein lustig und kann über sich selbst lachen.
Aber was ich bereits im Fall von Michelle Obama sagte: Tiefe Freundschaften entwickeln sich aus diesen Begegnungen selten. Bestimmt hatten Christian und ich in Berlin ein gutes Verhältnis zu beispielsweise dem kroatischen Botschafter Dr. Miro Kova č und seiner Frau Monika, ebenso zum italienischen Botschafter Michele Valensise und dessen Frau Elena. Beide Paare waren zum Abendessen bei uns in der Pücklerstraße. Jedoch blieb es auf einer oberflächlichen Ebene. Keiner kann oder kommt da aus seiner Haut, und da schließe ich mich selbst ein. Wenn es Christian und mir tatsächlich gelungen ist, zu einem anderen Politiker und dessen Frau eine intensivere Beziehung aufzubauen, bei der man von Freundschaft sprechen kann, dann ist dies sicher der türkische Präsident Abdullah Gül und seine Frau Hayrünnisa. Im September 2010, also nur wenige Wochen nach Christians Wahl zum Bundespräsidenten, waren die Güls bereits zu Gast bei uns in Berlin. Nur ein paar Wochen später, im Oktober 2010, waren wir dann zum Gegenbesuch bei ihnen in der Türkei und so regelmäßig wurde der Kontakt auch fortgesetzt. Ganz unabhängig von unseren Männern haben Hayrünnisa Gül und ich uns angefreundet. Wir duzen uns, haben uns ein paarmal geschrieben und auch nach Christians Rücktritt ist der Kontakt nicht abgebrochen. Deswegen verärgerte es mich auch, in Zeitungen bezüglich Hayrünnisa Gül und mir Sätze zu lesen wie »Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten«. Warum? Weil die eine ein Kopftuch trägt und die andere nicht? Das ist eine sehr oberflächliche Sichtweise. Hayrünnisa Gül und ich verstehen uns gut, trotz eines verschiedenen Glaubens.
Generell erstaunte mich aber, welche enorme Aufmerksamkeit auch so manch einer Frau an der Seite eines vermeintlich berühmten Mannes zugeschrieben wurde, gerade seitens der Presse. Sei es einer Michelle Obama, einer Carla Bruni als Ehefrau von Nicolas Sarkozy oder aber die zahllosen Prinzessinnen, wie die niederländische Prinzessin Máxima. Zwei Tage war sie im April 2011 gemeinsam mit ihrem Mann, Kronprinz Willem-Alexander und dessen Mutter, Königin
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