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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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nicht mehr überall mit dabei gewesen wäre, dass wir viel stärker abgewogen hätten, welche Termine wirklich wichtig sind. Christian und ich hatten diese Gespräche. Er sah die Situation jedoch pragmatisch und sagte: »Jetzt machen wir das erst einmal fünf Jahre und dann schauen wir, was passiert.« Er äußerte, dass es schließlich nur ein begrenzter Zeitraum, eine besondere Verantwortung und ein einmaliges sowie interessantes Leben sei, was wir da führen. Dies sah ich durchaus genauso, doch in mir keimte Angst auf, dass ich dafür einen Teil meines eigenen Lebens verpasse. Dass ich vor lauter offiziellen Terminen und ständigem Repräsentieren nach außen den Blick in mein Inneres aufgebe und damit auch Dinge, die mir viel wichtiger sind. Ungestört Urlaub zu machen, wann und wo ich das möchte. Feiern können, wann ich will. Schlafen können, wann ich will. In Shorts und T-Shirt am Strand Kopfstand machen, wann ich das will. Kurzum: Einfach tun und lassen, wonach mir ist, ohne Rücksicht auf irgendwelche Protokolle nehmen zu müssen. Mein Mann meinte zwar, es wäre bestimmt gegangen, sich ein Stück weit aus der öffentlichen Wahrnehmung, ja fast schon Kontrolle zurückzuziehen, doch ich war und bin fest davon überzeugt, dafür hätte man uns medial zerrissen. Also machten wir weiter wie gehabt und ich schob meine Ängste und Zweifel beiseite.
    Rückblickend sagt Christian, dass er total mit dem Amt beschäftigt war und dass ihn dies in höchstem Maße gefordert hat. Er räumt ein, dass er bestimmte Züge an meinem Verhalten wahrnahm, aber es nicht schaffte, sich auch noch darum zu kümmern, was ich ihm absolut glaube. Wenn er abends oder nachts nach Hause kam, dann konnte er sich nicht noch mit anderen Angelegenheiten beschäftigen. Und das geschah nicht aus Böswilligkeit oder Ignoranz, sondern er war schlichtweg physisch wie psychisch nicht in der Lage, sich über allem auch noch mit mir auseinanderzusetzen. Das bereut er heute. Und das macht ihn, so finde ich, sehr menschlich und nahbar. Aber es zeigt vor allem auch die massive Fremdbestimmung bei ihm. Christian unterliegt einem Pflichtbewusstsein bis zur Selbstaufgabe. Jahrzehntelang hat er alles Persönliche, seine Gefühle und Bedürfnisse, hintangestellt. Ich denke, dieses Muster hat er sich schon als junger Mensch irgendwie angeeignet und weitergepflegt. Und wer nicht weiß, was seine Wünsche und Gefühle sind, hat auch ein Stück weit verlernt, darüber zu sprechen. Christian hat das für sich einfach nie zugelassen. Auch dies hat sich in den vergangenen Monaten, nach dem Rücktritt, zum Glück sehr geändert. Er hat realisiert, dass man ein Familienleben nicht nur nach außen führen kann, sondern dass man sich dafür auch über sich selbst Gedanken machen muss und auch mit dem Partner darüber spricht.
    Zu verlernen, was die eigenen Bedürfnisse sind, geht erschreckenderweise ziemlich schnell, und darum mache ich meinem Mann auch keine Vorwürfe. Ich bekam es ja selbst mit. Was war das für ein Kampf, in Berlin als Paar einmal alleine abends auszugehen? Seitens der Überwachung durch das BKA wurde da zu Beginn der Amtszeit aus meiner Sicht ein immenses Aufheben gemacht. Christian und ich mussten große Überzeugungsarbeit leisten, um uns hin und wieder aber diese Freiheit zu gönnen. Denn auch wenn die Beamten meinten, sie benähmen sich unauffällig: Es ist einfach etwas anderes, ob man tatsächlich zu zweit alleine in ein Restaurant geht oder ob eine Minute später noch einmal zwei, drei Personen zur Tür hineinkommen, sich zwar in die andere Ecke des Lokals setzen und so tun, als seien sie unsichtbar – es aber nicht sind. Ganz toll war auch, im Hotelzimmer zu liegen und zu wissen, dass im Zimmer gegenüber Beamte 24 Stunden wach sind, quasi Babysitter spielen und auf einen aufpassen. Für manche mag das vielleicht anregend sein, für mich war es das nicht. Eher ging es mir im Kopf herum: »Na, dann muss man ja verdammt leise sein, bei allem, was man so tut. Vielleicht sind die Wände ja doch nicht so dick.«
    Oder diese Gruppenreisen, als nichts anderes würde ich es augenzwinkernd bezeichnen, wenn Christian und ich in Urlaub fuhren. Selbstverständlich hatten wir auch da Sicherheitsbeamte mit im Schlepptau und es ist doch schon ziemlich grotesk, wenn man ins Meer geht und da immer jemand am Wasserrand steht und versucht, möglichst unauffällig zu gucken, dass mein Mann nicht untergeht. Wobei ich sagen muss, dass wir zu den meisten

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