Jenseits des Protokolls
Lebensbereichen. Sie sind als Hebammen qualifiziert und unterliegen den gleichen Pflichten, etwa der Schweigepflicht. Aber Familienhebammen haben eine aufwendige Zusatzqualifikation und begleiten Mütter beziehungsweise Familien – im Idealfall während des gesamten ersten Lebensjahres des Kindes. Sie sind darauf geschult, zum Beispiel Zeichen einer sich anbahnenden Wochenbettdepression zu erkennen und notwendige Hilfe für die Zeit nach der Geburt zu organisieren. Sie helfen der Mutter bei der Anleitung zur Ernährung und Pflege des Säuglings und haben vor allem den gewaltfreien Umgang mit dem Baby im Blick. Familienhebammen werden in der Regel auch von sozial belasteten Familien akzeptiert und man gewährt ihnen Zutritt. Denn eine Hebamme, das wissen auch diese Familien, kommt zu jedem Elternpaar in die Wohnung. Das schafft die besondere Möglichkeit, auch Familien zu betreuen, die sonst Kontakte von außen ablehnen.
Familienhebammen sind sicher keine völlig neue Erfindung, sie sind aber durch die Aktivitäten der Stiftung »Eine Chance für Kinder« zahlenmäßig und qualitativ stark gefördert und damit in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gebracht worden. Die Bedeutung ihrer Arbeit wird, so denke ich, aber immer noch viel zu wenig geschätzt und auch die Notwendigkeit ihrer Hilfe. Erst seit Verabschiedung des neuen Kinderschutzgesetzes, das seit Anfang 2012 gilt und in dem Familienhebammen explizit als ein wichtiger Baustein der sogenannten Frühen Hilfen genannt werden sowie ihr Einsatz bundesweit in den Kommunen ausgeweitet werden soll, ist das Thema in der Politik endlich in aller Munde.
Für »Eine Chance für Kinder« bin ich immer gerne im Einsatz. Ich besuche die Familien und Mütter gemeinsam mit den Familienhebammen zu Hause, auch treffe ich mich mit Hebammen, die die Weiterbildung durch die Stiftung absolvieren. Wir gehen zusammen mit Journalisten in Förderschulen und zeigen, wie wichtig Aufklärungsunterricht bei diesen Jugendlichen ist. Für eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit produzierten wir auch einen Film und gerne jogge ich auch für den guten Zweck im Zeichen der Stiftung. Gelder einzutrommeln gehört natürlich auch zu dieser Aufgabe: Vom Sponsorenessen im kleinen Rahmen bis hin zu Benefizkonzerten mit 2000 Gästen – bei diesem Thema lasse ich nichts unversucht. Und ich bin mächtig stolz zu sagen, dass wir mit der Stiftung mittlerweile einiges erreicht haben: In Niedersachsen beispielsweise werden inzwischen von 42 der insgesamt 60 Jugendämter Familienhebammen eingesetzt. »Eine Chance für Kinder« ist dabei als Träger der Hilfemaßnahme in zwölf Kommunen tätig. Sie setzt Familienhebammen in der Region, dem Dorf, dem Bezirk ein und vermittelt zwischen hilfsbedürftigen Familien beziehungsweise Müttern durch eine Koordinatorin. Diese stellt in Absprache mit der Mutter beziehungsweise Familie den Bedarf und die möglichen Einsätze der Familienhebammen fest und bildet auf diese Weise sozusagen eine »Scharnierfunktion« zwischen Familienhebamme und jeweils zuständiger Behörde. Nur wenn alle für den Kinderschutz Verantwortlichen, die zuständigen Behörden, Beratungsstellen, Ärzte und andere Akteure sowie auch die Familienhebammen offen aufeinander zugehen, kann der Einsatz der Familienhebammen effektiv organisiert werden. 2011 beispielsweise konnten so in den Kommunen, in denen die Stiftung als Träger tätig ist, durch 37 Familienhebammen insgesamt 693 Familien betreut werden.
Doch wir schauen auch über den Tellerrand, über Niedersachsen hinaus, haben Berlin verstärkt ins Visier genommen. Denn die Rate vernachlässigter Kinder ist im Vergleich aller deutschen Städte in der Hauptstadt am höchsten. Dem wollen wir als Stiftung entgegenwirken. So sind seit April 2011 in den drei Berliner Bezirken Neukölln, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg verstärkt Familienhebammen im Einsatz. Im November 2011 ist dann noch Steglitz-Zehlendorf dazugekommen. Die nunmehr zwölf Familienhebammen betreuten in ihrem ersten Jahr fast 70 junge Familien. Finanziert wird diese Maßnahme durch »Eine Chance für Kinder« mit Unterstützung des Vereins Bild hilft e. V., »Ein Herz für Kinder« und der Mercedes-Benz-Niederlassung Berlin.
Ich habe selbst in den vergangenen Jahren einige Mütter und auch einen alleinerziehenden Vater kennengelernt, die in ihrer jeweiligen Situation ungemeine Unterstützung durch die Familienhebammen erfahren haben. Besonders beeindruckend war dieser Vater,
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