Jenseits des Protokolls
ein ganz pragmatisches Verhältnis. Aber es ist mir ein Bedürfnis zu zeigen, dass ich neue Dinge im Leben als wichtig definieren werde, dass ich mir Neues suchen werde, was mich erfüllt, dass es einfach weitergeht. Ich möchte zeigen, dass ich wieder ein glückliches Leben führen kann.
Gerade auch deswegen war es für mich zum Beispiel eine willkommene Selbstverständlichkeit, am 9. Januar 2012 den Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts zu besuchen. Zwar eine Tageszeitung des Axel -Springer-Verlags, also der Verlag, in dem auch die Bild -Zeitung erscheint, doch ich hatte diese Einladung bereits Monate vorher zugesagt. Nur weil mein Mann und ich zu der Zeit gerade nicht zu ihren Lieblingen, zu den positiv gefeierten Lieblingen der Medien gehörten, wollte ich mich nicht ducken oder plötzlich unsichtbar werden. Schon gar nicht wollte ich mir einreden lassen: »Ich bin nichts mehr wert! Ich darf da nicht mehr sein! Ich habe da nichts mehr zu suchen!« Ich wollte mich von den Medien nicht fremdbestimmt fühlen, sondern bewusst zeigen, dass ich mich als Frau des Bundespräsidenten von all den Anschuldigungen nicht brechen lasse.
Christian fragte mich zwar, ob ich das wirklich machen will, ob ich mir wirklich diesen Empfang antun wolle, aber für mich gab es da keine Zweifel. Es gab nichts, wofür ich mich schämen musste. Umso mehr haben mich die Reaktionen der anderen Gäste überrascht. Die Leute haben mich angestarrt, als sei ich das achte Weltwunder, und ich dachte nur: »Was guckt ihr denn so? Was habt ihr denn für ein Problem? Ihr seht doch, dass ich ganz normal bin!« Vielleicht bin ich da einfach auch zu naiv in meinem Denken. Ich merkte aber, dass ich mir durch den Auftritt bei diesem Neujahrsempfang ein Stück Respekt zurückgeholt habe.
Die Medien gehören mit zum Geschäft, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt. Ich nutze ihre Wirkung ja durchaus bewusst in meiner Funktion als Botschafterin beziehungsweise Schirmherrin für Stiftungen wie »Eine Chance für Kinder«. Es ist ein Geben und Nehmen. Trotzdem steht für mich fest, dass ich auf keinen Fall mehr derart zum Medienereignis werden möchte. Zu sehr haben sich die Berichterstattungen auf mein Privatleben, eben vor allem auch auf meine Kinder ausgewirkt. So gesehen bin ich in gewisser Weise sehr froh darüber, dass vieles so gekommen ist …
15 Der Rücktritt
Zu keinem Augenblick habe ich zu meinem Mann gesagt: »Tritt besser zurück!« Aber ich fragte ihn irgendwann Mitte Januar 2012: »Meinst du, dass das hier noch zu einem guten Ende führt? Dass selbst, wenn sich die Wogen glätten, du dieses Amt noch so weiterführen kannst wie bisher? Dass wir beide mit dieser Begeisterung und dem Elan dabei sind, wo wir doch wissen, wie Menschen und Medien unter Umständen mit einem umgehen?!«
Wir haben viel gesprochen. Ich merkte, dass Christian unter dem ganzen Druck und Stress, der zu dieser Zeit auf ihm lastete, gar nicht sah, wie sehr diese Situation unser gesamtes Familienleben belastete. Er saß den Tag über mit seinen Beratern im Büro und er verdrängte dabei, dass neben mir vor allem auch die Kinder unter dem Istzustand litten.
Ich war gereizt. Längst warfen die meisten Medien alles in einen Topf, machten aus meinem Mann und mir nur noch einen personifizierten »Wulff«. Ständig in der Presse ohne »Wenn« und »Aber« zu lesen, dass ich als angeblich auf Glamour und Luxus erpichte Frau meinen Mann zu vielem gedrängt hätte, kostete mich eine immense Kraft. Mir ist es nicht egal, was andere über mich denken. So blieb ich, obwohl ich in dieser Zeit häufig Fluchttendenzen in mir spürte und den Wunsch, mich manchmal einfach nur wegbeamen zu können. Doch ich wollte auch all die Sachen nicht auf mir sitzen lassen.
Ab Dezember 2011, als die Presse uns verstärkt wegen des Kredits für unser Einfamilienhaus in Großburgwedel ins Visier nahm, gab es ständig Termine mit unserem Anwalt oder den Mitarbeitern der Pressestelle, um zu diskutieren und Erklärungen auszuarbeiten. Und zumeist wollte mich Christian bei diesen Gesprächen an seiner Seite haben, denn die Entscheidungen betrafen schließlich ganz unmittelbar auch mein Leben. So musste ich permanent irgendwie die Jungs wegorganisieren. Leander war länger als sonst im Hort, Linus länger im Kindergarten. Die Kinderfrau musste Überstunden machen, um für die beiden da zu sein. Denn ich war es in dieser Zeit nicht. Zwar war ich physisch anwesend, doch mit meinen Gedanken war ich
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