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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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woanders. Öfter als sonst sagte ich zu den beiden: »Geht mal raus, wir haben hier etwas zu besprechen.« Abends, als ich im Bett lag, plagte mich dann das schlechte Gewissen. Ich war in diesen Monaten keine wirklich gute Mutter, ich war für meine Söhne nicht die Anlaufstelle, die sie brauchten, denn natürlich bekamen sie von alledem, was uns betraf und um uns passierte, etwas mit. Leander fragte mich, warum wir so oft in der Zeitung stehen und warum auch das Fernsehen häufiger als zuvor über seinen Stiefvater berichten würde. Ich sagte ihm daraufhin, dass es Menschen gibt, darunter viele Journalisten, die nicht mehr möchten, dass Christian Bundespräsident ist. Dass es Zeiten gibt, in denen die Presse gut über einen schreibt, und genauso Zeiten, wo sie schlecht über einen berichtet.
    Die Anschuldigungen und deren Auswirkungen dominierten den ganzen Tag. Es ging bereits morgens in aller Früh los, wenn wir gegen 7.30 Uhr die Presseschau des Bundespresseamtes einsahen. Die Mitarbeiter der Pressestelle werteten ab 4 Uhr morgens die gesamte Berichterstattung aus und mailten Christian die Ergebnisse zu.
    Zwar gelang es uns, ein fast normales Weihnachtsfest zu feiern, meine Eltern kamen für vier Tage nach Berlin, wir waren im Gottesdienst, Leander war beim Krippenspiel der erste Hirte. Es waren kurze Glücksmomente, in denen ich mir wie eine ganz normale Familie vorkam. Auch Silvester verbrachten mein Mann und ich gemeinsam mit den Kindern nur zu viert in Großburgwedel, wir gingen um Mitternacht zum Raketensteigen zu den anderen Anwohnern vor die Tür. Zwar gab es auch in all diesen Wochen hin und wieder Abende, an denen mein Mann und ich uns vornahmen, das Thema außen vor zu lassen und uns dies auch tatsächlich gelang, trotzdem, unausgesprochen, waberte die angespannte Situation wie selbstverständlich über unseren Köpfen.
    Ich kann mich, was diese Wochen und Monate betrifft, nicht an eine durchgeschlafene Nacht erinnern. Ich ging mit Herzrasen, völlig aufgewühlt ins Bett und bin auch morgens in diesem Zustand aufgestanden. Eigentlich bin ich ein Mensch, der sich über jeden neuen Morgen, jeden neuen Tag freut. Davon war ich in dieser Zeit weit entfernt. Selbst in Großburgwedel, bis dahin mein Zufluchtsort, belagerte uns die Presse zunehmend, belauerte sie uns. Die Nachbarn hängten uns schon Brötchen an die Haustür und fragten, ob sie für uns einkaufen gehen sollen. Diese Unterstützung zu erfahren tat gut, aber das konnte nicht die Zukunft sein. Ich wollte mich nicht verstecken müssen.
    Ende Januar 2012 machte ich daher Druck und sagte zu Christian: »Es muss etwas passieren – so oder so. Wir müssen eine Entscheidung treffen.« Dies so deutlich auszusprechen fiel mir nicht leicht. Ich habe meinem Mann sonst nie in politische Dinge hineingeredet. Da gab es eine klare Absprache zwischen ihm und mir. Er ist der Politiker, er war der Bundespräsident, es war sein Amt. Natürlich gab es Themen wie den Ausbau von Krippenplätzen, generell die Betreuung von Kleinkindern, die mir gerade auch mit meiner Vorgeschichte als ehemals Alleinerziehende sehr am Herzen lagen und zu denen ich ihm meine Meinung mit auf den Weg gab. Häufig fragte mich Christian auch nach meiner Sichtweise, zum Beispiel vor seiner Rede zur Deutschen Einheit 2010. Er wollte damals gerne den Satz »Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland« sagen und fragte mich: »Wie findest du das?«. Da haben wir darüber diskutiert. Ich meinte zu ihm: »Wenn dir das wichtig ist, dann sag es. Ich aber würde es nicht tun. Ich finde es schwierig. Das wird viele Debatten nach sich ziehen.« Im Nachhinein finde ich es richtig gut und mutig, dass er sich dafür entschieden hat. Ich denke, ich stand mir da mit meiner doch sehr protestantischen Sichtweise im Weg.
    Und zu diesem Zeitpunkt, Ende Januar, Anfang Februar 2012 stand sich mein Mann ein Stück weit selbst im Weg. Mir war klar, dass sich einige Menschen fragten, warum ich ihn als PR-Frau in der Krisenkommunikation nicht besser beraten habe. Doch dazu muss ich sagen, dass mein Einfluss doch begrenzter war, als von außen gemutmaßt wurde. Und ab einem gewissen Zeitpunkt kam ich auch nur noch schwer an Christian und sein Beraterteam heran, die mehr oder weniger rund um die Uhr im Büro tagten. Mein Alltag mit Terminen und Kindern ging parallel dazu ja auch weiter. Aber ich wusste, dass ich so oder so mit drin hänge und auch wenn ich in einigen Dingen vielleicht anderer Meinung war, bin

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