Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
Vom Netzwerk:
verlassen.« – »Das ist doch Unsinn«, sagte ich. »Ich glaube gar nicht, daß man dich so ohne weiteres wegholen kann.« – »Gott stehe mir bei«, sagte Esa, »ich fürchte, es ist vielleicht schon zu spät.« – »Was soll ich denn ohne Koch machen, Esa?« fragte ich ihn. »Sie werden mich ja auch nicht zum Koch haben«, sagte er, »wenn ich beim Trägerkorps bin oder sterbe, was ich dann gewiß bald tun werde.«
    So tief steckte die Angst vor dem Trägerkorps damals in den Leuten, daß Esa gegen alle meine Vorstellungen taub blieb. Er bat mich, ihm ein Windlicht zu leihen, wickelte alle seine Habseligkeiten in ein Tuch und machte sich noch in der Nacht auf den Weg nach Nairobi.
    Esa war fast ein Jahr fort von der Farm. Ich sah ihn in dieser Zeit mehrere Male in Nairobi, einmal fuhr ich auf der Straße nach Nairobi an ihm vorbei. Er wurde alt und hager in diesem Jahr, seine Züge erschlafften, sein schwarzer runder Kopf ergraute. In der Stadt wollte er nicht stehenbleiben und mit mir sprechen, aber als wir uns auf der offenen Landstraße trafen und ich meinen Wagen anhielt, setzte er den Geflügelkorb, den er auf dem Kopf trug, ab und hockte sich zum Plaudern hin. Er hatte sich seine sanfte Art bewahrt, und doch war er verändert, und es war schwierig, mit ihm in Kontakt zu kommen, er blieb während des ganzen Gespräches geistesabwesend, als wäre er weit fort. Das Schicksal hatte ihn mißhandelt und zu Tode erschreckt, er war genötigt, sich in eine Tiefe zurückzuziehen, die mir unzugänglich war, und die Erlebnisse hatten ihn geläutert und geklärt. Es war, als spräche man mit einem alten Bekannten, der sein Noviziat in einem Kloster angetreten hatte. Er fragte mich nach dem Leben auf der Farm, wobei es ihm, wie jedem schwarzen Dienstboten, für ausgemacht galt, daß seine Mitbediensteten sich in seiner Abwesenheit gegen ihre weiße Herrschaft so häßlich wie möglich benahmen. »Wann wird der Krieg zu Ende sein?« fragte er mich. Ich sagte ihm, man habe mir erzählt, er werde nun nicht mehr lange dauern. »Weißt du, wenn er noch zehn Jahre dauert«, sagte er, »dann werde ich vergessen, die Gerichte zu bereiten, die du mich gelehrt hast.« Der Geist des kleinen alten Kikuju auf der Landstraße ging die gleichen Wege wie der Brillat-Savarins, der gesagt hat, wenn die Revolution fünf Jahre länger gedauert hätte, wäre die Kunst, ein Geflügelragout zu bereiten, verlorengegangen. Es war offenkundig, daß Esa nur um meinetwillen so bekümmert war, und so fragte ich ihn denn, um seinen teilnehmenden Klagen ein Ende zu setzen, wie es ihm selber gehe. Er überlegte sich meine Frage eine Zeitlang, er mußte seine Gedanken von weit her sammeln, ehe er mir antworten konnte. »Weißt du noch, Memsahib«, sagte er schließlich, »du sagtest einmal, es sei hart für die Ochsen der indischen Holzhändler, jeden Tag angespannt zu sein und nie einen ganzen Tag zu rasten, wie es die Ochsen auf der Farm tun? Siehst du, bei der Dame, da bin ich ein indischer Holzhändlerochse.« Er blickte beiseite, als er gesprochen hatte, wie um sich zu entschuldigen. Schwarze haben von Natur sehr wenig Gefühl für Tiere, mein Ausspruch über die indischen Ochsen mag Esa recht gesucht vorgekommen sein – daß er ihn nun aus freien Stücken und in eigener Sache wieder hervorgeholt hatte, schien ihm unbegreiflich.
    Den Krieg über hat es mir viel Verdruß bereitet, daß alle Briefe, die ich schrieb oder erhielt, von einem kleinen, verschlafenen schwedischen Zensor in Nairobi geöffnet wurden. Er kann nie auch nur das geringste Verfängliche in ihnen gefunden haben, aber ich glaube, bei seinem eintönigen Dasein bekam er Interesse für die Menschen, von denen die Rede war, und las meine Briefe, wie man einen Fortsetzungsroman liest. Ich fügte gern meinen Briefen ein paar Drohungen gegen unseren Zensor bei, die nach dem Krieg wahrgemacht werden sollten, damit er was zu lesen hätte. Als das Ende des Kriegs kam, mag er sich an diese Drohungen erinnert haben oder auch von selber zur Reue erwacht sein, jedenfalls schickte er einen Läufer auf die Farm, mir zu melden, der Waffenstillstand sei geschlossen. Ich war allein, als der Läufer eintraf, ich ging im Walde spazieren. Es war sehr still da draußen, und es war seltsam, zu denken, daß es an den Fronten in Frankreich und in Flandern nun auch still war, daß die Kanonen schwiegen. In diesem Schweigen schienen Europa und Afrika einander näher, als hätte man auf dem Waldpfad nur

Weitere Kostenlose Bücher