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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Augen, und der Künstler erzählte eine Geschichte dazu. Die Geschichte wurde jedesmal mit den gleichen Worten erzählt.
     
    In einem kleinen Hause mit einem runden Fenster und einem kleinen, dreieckigen Garten davor lebte ein Mann.
    Nicht weit von dem Hause war ein Teich mit vielen kleinen Fischen darin.
    Eines Nachts erwachte der Mann von einem schrecklichen Lärm und machte sich im Dunkeln auf, um zu erfahren, was das sei. Er ging auf dem Weg zum Teich.
    Hier fing der Erzähler an, wie man auf einer Karte den Marsch einer Armee einträgt, die Wege zu zeichnen, die der Mann ging.
    Er lief zuerst nach Süden. Da stolperte er über einen großen Stein, der mitten auf dem Wege lag, und als er weiterlief, fiel er in einen Graben, stand auf, fiel wieder in einen Graben, stand wieder auf, fiel in einen dritten Graben und kroch wieder heraus.
    Da merkte er, daß er falsch gegangen war, und lief zurück nach Norden. Aber wieder schien es ihm, daß der Lärm von Süden kam, und er rannte wieder in die erste Richtung. Da stolperte er über einen großen Stein, der mitten auf dem Wege lag, und etwas weiter fiel er in einen Graben, stand auf, fiel nochmals in einen Graben, stand auf, fiel in einen dritten Graben und kroch wieder heraus.
    Jetzt hörte er ganz deutlich, daß der Lärm vom Ende des Teiches herkam. Er rannte hin und sah, daß im Damm des Teiches ein großes Loch war und das ganze Wasser mit allen Fischen herausfloß.
    Er machte sich an die Arbeit und flickte das Loch, und als er fertig war, legte er sich wieder zu Bett. Als nun der Mann am nächsten Morgen aus seinem kleinen runden Fenster schaute – so schloß die Geschichte höchst dramatisch – was sah er? Einen Storch!
     
    Ich bin froh, daß man mir diese Geschichte erzählt hat, und will in der Stunde der Not an sie denken. Der Mann in der Geschichte ist bitter betrogen worden und schweren Hindernissen auf seinem Wege begegnet. Er muß gedacht haben: Welch ein Auf und Nieder! Welch eine Kette von Mißgeschick! Er muß sich gefragt haben, was der Sinn all dieser Prüfungen sei, denn er konnte nicht wissen, daß es der Storch war. Aber bei alledem behielt er sein Ziel im Auge, nichts vermochte ihn, umzukehren und heimzugehen, er ging seinen Weg zu Ende, er bewahrte den Glauben. Der Mann hat seinen Lohn empfangen. Am Morgen sah er den Storch. Da muß er laut aufgelacht haben.
    Die Enge, in der ich stecke, das dunkle Loch, in dem ich liege – zu welcher Vogelkralle mag das wohl gehören? Wenn die Zeichnung meines Lebens fertig ist, werden dann die anderen einen Storch sehen?
    Infandum, regina, jubes renovare dolorem, Troja in Flammen, sieben Jahre Verbannung, dreizehn der besten Schiffe verloren! Was wird das Ende sein von alledem? »Unerträumte Schönheit, königliche Ruhe und süßes Entzücken.«
    Man ist entsetzt, wenn man den zweiten Glaubensartikel der Christenheit hört: »… daß Er gekreuzigt wurde, gestorben und begraben ist, daß Er zur Hölle hinabfuhr und am dritten Tage wieder auferstand, daß Er zum Himmel aufstieg und von dort wiederkommen wird.«
    Welch ein Auf und Nieder, furchtbar wie bei dem Manne in der Geschichte. Was ist das Ende von alledem? – Der zweite Artikel des Glaubens der halben Welt.

Esas Geschichte
    Während des Krieges hatte ich einen Koch namens Esa, einen alten Mann mit viel Verstand und einem feinen Wesen. Eines Tages, als ich in Mackinnens Spezereigeschäft in Nairobi Tee und Gewürze kaufte, trat eine kleine Dame mit scharfem Gesicht auf mich zu und bemerkte, es sei ihr bekannt, daß Esa in meinen Diensten stehe; ich bestätigte ihr das. »Er war aber früher bei mir«, sagte die Dame, »und ich möchte ihn wiederhaben.« Ich sagte ihr, das tue mir leid, denn sie könne ihn nicht haben. »Oh, das wollen wir erst sehen«, sagte sie, »mein Mann ist Regierungsbeamter. Sagen Sie, bitte, Esa, wenn Sie nach Hause kommen, daß ich ihn wiederhaben will und daß er, wenn er nicht zu mir kommt, zum Trägerkorps eingezogen wird. Soviel ich höre«, fügte sie hinzu, »haben Sie genug Dienstboten auch ohne Esa.« Ich erzählte Esa nicht gleich von dieser Begegnung, erst am folgenden Abend fiel sie mir wieder ein, und ich sagte ihm, daß ich seine ehemalige Herrin getroffen und was sie gesagt hätte. Zu meinem Erstaunen geriet Esa sofort außer sich vor Angst und Ver zweiflung. »Oh, warum hast du mir das nicht gleich gesagt, Memsahib?« sagte er. »Die Dame wird tun, was sie gesagt hat, ich muß dich heute abend noch

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