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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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fortzugehen brauchen bis Vimmy Ridge. Als ich zum Hause zurückkehrte, sah ich eine Gestalt davorstehen. Es war Esa mit seinem Bündel. Er sagte mir sofort, er sei nun wieder da und habe mir ein Geschenk mitgebracht.
    Esas Geschenk war, eingerahmt und unter Glas, das Bild eines Baumes, sehr sorgfältig mit Tinte gezeichnet und jedes von den hundert Blättern hellgrün bemalt. Auf jedem Blatt war in winzigen arabischen Buchstaben mit roter Tinte ein Wort geschrieben. Ich denke mir, daß es Worte aus dem Koran waren, aber Esa war nicht imstande, mir ihren Sinn zu erklären, er strich nur immer mit seinem Ärmel über die Glasscheibe und versicherte mir, es sei ein sehr gutes Geschenk. Er erzählte mir, er habe das Bild während des Jahres seiner Prüfung von dem alten mohammedanischen Priester von Nairobi malen lassen; es muß den alten Mann Stunden und Stunden gekostet haben, es so fein hinzustricheln.
    Esa blieb nun bei mir, bis er starb.

Der Leguan
    Im Reservat habe ich zuweilen die großen Leguane, die Kammeidechsen, auf den flachen Steinen der Flußbetten sich sonnen sehen. Sie haben keine hübsche Gestalt, aber etwas Schöneres als ihre Färbung ist undenkbar. Sie leuchten wie ein Haufen von Edelsteinen oder wie ein Ausschnitt aus einem alten Kirchenfenster. Wenn man zu nahe kommt und sie davonflitzen, dann geht ein Funkeln von Azurblau, Grün und Blaurot über die Steine, die Farben scheinen, wenn die Tiere schon fort sind, noch in der Luft zu schweben wie der leuchtende Schweif eines Kometen.
    Einmal habe ich einen Leguan geschossen. Ich dachte, ich würde mir aus der Haut irgend etwas Hübsches machen können. Da geschah etwas Seltsames, das ich niemals mehr vergessen werde. Als ich zu der Stelle hinging, wo das Tier tot auf dem Stein lag, und zwar wirklich während der wenigen Schritte, die ich zu machen hatte, entfärbte es sich und wurde blaß, alle Farbe entwich aus ihm wie in einem langen Seufzer, und bis ich es berührte, war es grau und stumpf wie ein Klumpen Zement. Das lebende, drängende Blut allein, das in dem Tiere kreiste, hatte all die große Pracht und Herrlichkeit ausgestrahlt. Nun, da das Licht gelöscht und die Seele entflohen war, lag der Leguan da, tot wie ein Sandsack.
    Ich habe seitdem noch öfters gewissermaßen einen Leguan geschossen und an den einen im Reservat zurückdenken müssen. Oben in Meru sah ich einmal ein junges Eingeborenenmädchen mit einem Armband, einem Lederstreifen, zwei Zoll breit, über und über bestickt mit ganz kleinen türkisfarbenen Perlen, deren Schattierung wechselte und bald ins Grüne, Hellblaue oder Ultramarinblaue schimmerte. Es war ein ungewöhnlich lebendiges Stück, es schien an ihrem Arm zu atmen, so daß ich es gern für mich haben wollte und Farah hinschickte, es ihr abzukaufen. Kaum hatte ich es auf meinem Arm, so gab es seinen Geist auf. Es war nun nichts mehr als ein kleines billiges Schmuckstück. Das Spiel der Farben war es gewesen, das Duett zwischen dem Türkis und dem nègre – diesem lebendigen, samtigen, bräunlichen Schwarz, dem Torfigen, Irdenen der Negerhaut –, was das Armband zum Leben erweckt hatte. Im zoologischen Garten in Pietermaritzburg habe ich einmal an einem ausgestopften Tiefseefisch in einer Vitrine dasselbe Zusammenspiel von Farben gesehen; da hatte es den Tod überdauert; staunend fragte ich mich, wie wohl das Leben am Meeresgrund beschaffen sein mochte, daß es uns etwas so Lebendiges und Luftiges emporsenden konnte. Da stand ich nun in Meru und schaute meinen blassen Arm und das tote Armband an; es war, als wäre einem edlen Ding Unrecht geschehen, als wäre der Wahrheit Gewalt angetan worden. Es war so schmerzlich, daß mir der Ausspruch des Helden aus einem Buch meiner Kinderzeit einfiel: »Ich habe sie alle besiegt, nun steh ich zwischen lauter Gräbern.«
    In einem fremden Lande mit fremden Formen des Lebens muß man zu prüfen wissen, ob die Dinge ihren Wert behalten, wenn sie tot sind. Siedlern in Ostafrika gebe ich den Rat: »Um eurer eigenen Augen und Herzen willen, schießt keinen Leguan.«

Farah und der Kaufmann von Venedig
    Einmal schrieb mir ein Freund aus der Heimat und schilderte mir eine Neuinszenierung des »Kaufmanns von Venedig«. Abends, als ich den Brief nochmals überlas, wurde mir das Stück lebendig, seine Gestalten erfüllten das Haus, so daß ich Farah hereinrief, um mit ihm davon zu reden, und ihm die Handlung der Komödie erzählte.
    Farah liebte, wie alle Menschen arabischen Geblütes,

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