Jenseits von Afrika
südlichen Kanton der Schweiz oder in Norditalien liegen können.
Die liebenswürdigen Patres paßten mich an der Kirchentüre ab, wenn die Messe zu Ende war, und geleiteten mich zu einem petit verre de vin über den Hof in das geräumige kühle Refektorium. Da war es denn erstaunlich, zu hören, wie sie bis in den letzten Winkel genau alles wußten, was in der Kolonie vor sich ging. Sie sogen auch unter dem Vorwand einer freundlichen und teilnehmenden Konversation jede Neuigkeit aus einem heraus, die man etwa beherbergen mochte; wie eine kleine rührige Schar von braunen zottigen Bienen – sie trugen nämlich alle lange dicke Bärte – hängten sie sich an die Blüte, um ihren Honigvorrat zu gewinnen. Während sie aber am Leben der Kolonie so regen Anteil nahmen, waren sie als echte Franzosen zugleich Verbannte, geduldige, heitere Untergebene einer höheren Ordnung von geheimnisvoller Art. Wäre die unsichtbare Autorität nicht gewesen, die sie an ihren Platz wies, so wären sie, das fühlte man, nicht, wo sie waren, und ebenso die Kirche aus grauem Stein mit dem hohen Glockenturm und die Arkaden, die Schule oder irgend sonst ein Teil der Pflanzung und Station. Würde das befreiende Wort gesprochen, sie würden die Kolonie mir all ihren Begebenheiten verlassen und in pfeilgradem Bienenflug nach Paris zurückkehren.
Farah, der die zwei Pferde hielt, während ich in der Kirche und im Refektorium war, bemerkte wohl auf dem Heimweg zur Farm mein aufgeheitertes Wesen; er selbst war ein frommer Mohammedaner und rührte keinen Alkohol an, aber er hielt die Messe und den Wein für zueinandergehörige Bräuche meiner Religion.
Die französischen Patres kamen zuweilen auf ihren Motorrädern zur Farm und frühstückten bei mir, sie rezitierten mir Fabeln von La Fontaine und gaben mir gute Ratschläge für meine Kaffeepflanzung.
Die schottische Station kannte ich nicht so gut. Man hatte von oben einen herrlichen Blick über das ganze umliegende Kikujuland, aber die Station selbst machte den Eindruck, als sei sie blind, als sehe sie selbst nichts. Die schottische Kirche wandte viel Mühe darauf, die Eingeborenen in europäische Kleider zu stecken, womit sie ihnen freilich nach meiner Ansicht in keinem Sinne etwas Gutes tat. Dagegen hatte sie ein sehr gutes Hospital, das zu meiner Zeit unter der Leitung eines menschenfreundlichen, klugen Chefarztes, Doktor Arthurs, stand. Manch einem von den Leuten der Farm ist dort das Leben gerettet worden.
Kamante blieb drei Monate bei der schottischen Mission. In der Zeit sah ich ihn einmal. Ich kam auf dem Wege zum Bahnhof Kikuju an der Station vorbeigeritten, und die Straße führte eine Weile an dem Grundstück des Krankenhauses entlang. Ich sah Kamante von weitem, er stand etwas abseits von den übrigen Rekonvaleszenten. Damals ging es ihm schon so viel besser, daß er laufen konnte. Als er mich erblickte, kam er an den Zaun und rannte an ihm entlang, so weit er neben der Straße herlief. Er trabte auf seiner Seite des Zaunes wie ein Fohlen in der Koppel, wenn man zu Pferde vorüberkommt, und behielt mein Pony im Auge, sagte aber kein Wort. An der Ecke des Grundstücks mußte er haltmachen. Als ich weiterritt und zurückschaute, sah ich ihn stocksteif mit erhobenem Kopf dastehen und mir nachschauen, grad wie ein Fohlen, wenn man davonreitet. Ich winkte ihm wiederholt mit der Hand zu; zuerst erwiderte er überhaupt nicht, dann schlenkerte er plötzlich seinen Arm in die Höhe wie einen Pumpenschwengel, aber nur ein einziges Mal.
Kamante kam am Ostersonntagmorgen wieder zu mir ins Haus und brachte mir einen Brief vom Krankenhaus, in dem es hieß, es gehe ihm viel besser und man halte ihn für geheilt. Er wußte wohl etwas von dem Inhalt, denn er betrachtete aufmerksam mein Gesicht, solange ich las, wollte aber nicht davon reden, denn er hatte Größeres im Sinne. Kamante trug immer eine gemessene oder verhaltene Würde zur Schau, diesmal aber strahlte er geradezu von unterdrücktem Triumph.
Alle Schwarzen haben einen starken Sinn für dramatische Wirkung. Kamante hatte seine Beine bis zum Knie sorgsam mit alten Binden umwickelt, um mir eine Überraschung zu bereiten. Es war klar: er sah die besondere Bedeutung des Augenblicks nicht in seinem eigenen Glück, sondern dachte selbstlos an das Vergnügen, das er mir machen wollte. Er erinnerte sich wohl, wie verzweifelt ich gewesen war, wenn meine Kuren mit ihm immer wieder mißrieten, und wußte, daß der Erfolg der Behandlung im
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