Jenseits von Afrika
verstehen.
Kamante begann seine Laufbahn in meinem Hause als Hundepfleger, später wurde er mein medizinischer Assistent. Dabei merkte ich, wie geschickt er mit den Händen war, was man ihm auf den ersten Blick nie angesehen hätte. Ich versetzte ihn in die Küche als Hilfskoch oder Marmiton zu meinem alten Koch Esa, der später ermordet wurde. Nach Esas Tod wurde er sein Nachfolger und war für den Rest seiner Zeit mein Küchenchef.
Neger haben gewöhnlich sehr wenig Gefühl für Tiere, aber Kamante war darin, wie auch sonst, aus der Art geschlagen; er war der geborene Hundewärter und wußte sich so eins mit den Tieren, daß er häufig zu mir kam und mir berichtete, was sie wünschten oder vermißten oder überhaupt über dies und jenes dachten. Er muß auch in der Zeit, die er im Missionshospital verbracht hatte, die Augen offen gehabt haben, wenn auch, wie bei allem, was er tat, ohne jede Spur von Respekt oder Voreingenommenheit, denn er war ein umsichtiger, erfinderischer Assistent. Nachdem er aus dem Sprechzimmer in die Küche übergesiedelt war, kam er noch manches Mal herüber und griff bei dem oder jenem Krankheitsfall ein und gab mir sehr kluge Ratschläge.
Als Küchenchef aber war er schlechtweg einzigartig und jedem Vergleich entrückt. Da hatte die Natur einen Satz gemacht und alle Entwicklungsphasen des Geschickes und Talents übersprungen; was da geschah, war mystisch und unerklärbar wie überall, wo das Genie am Werk ist. Und Kamante besaß in der Küche, der Welt des Kulinarischen, alle Kennzeichen des Genies, einschließlich des Verhängnisses der Genialität: der Machtlosigkeit der Person über ihre eigene Macht. Wäre Kamante in Europa geboren und in die Hände eines tüchtigen Lehrers geraten, er wäre berühmt geworden und hätte eine der kuriosen Gestalten der Geschichte abgegeben. Sogar hier in Afrika machte er sich einen Namen – sein Verhältnis zu seiner Kunst war das eines Meisters.
Ich hatte selbst großes Interesse am Kochen und nahm bei meinem ersten Besuch in Europa Unterricht bei dem französischen Küchenchef eines berühmten Restaurants, weil ich mir dachte, daß es sehr unterhaltend sein müßte, sich in Afrika schöne Speisen bereiten zu können. Der Chef, Monsieur Perrochet, schlug mir damals vor, in sein Geschäft einzutreten, weil ich soviel Liebe zur Kunst bewies. Als ich nun in Kamante einen geistesverwandten Zunftgenossen entdeckte, ergriff mich die alte Liebe aufs neue. Unsere Zusammenarbeit schien ungeahnte Ausblicke zu eröffnen. Es gab für mich nichts Rätselhafteres als diesen natürlichen Instinkt eines Wilden für unsere Feinschmeckerkünste. Ich gewann eine ganz neue Vorstellung von unserer Zivilisation; schließlich war sie also doch gewissermaßen göttlich und von der Vorsehung gewollt. Ich kam mir vor wie ein Mensch, der seinen Glauben an Gott wiederfindet, weil ein Phrenologe ihm in dem menschlichen Gehirn den Sitz der theologischen Beredsamkeit aufzeigt: Konnte die Existenz der theologischen Beredsamkeit bewiesen werden, so war die Existenz der Theologie selbst mit bewiesen und schließlich die Existenz Gottes.
Kamante verfügte beim Kochen über eine unglaubliche Handfertigkeit. Die großen Tricks und tours de force der Kochkunst waren ein Kinderspiel für seine krummen schwarzen Hände; die wußten von allein alle Griffe für Omeletten, vol au vents, Soßen und Mayonnaisen. Er hatte ein besonderes Talent, alles leicht zu machen, so wie in der Legende das Christkind Vögel aus Lehm knetet und ihnen befiehlt zu fliegen. Er verachtete alle maschinellen Vorkehrungen, es behelligte ihn, daß sie keine Bewegungsfreiheit ließen, und als ich eine Maschine zum Schaumschlagen kaufte, tat er sie weg und ließ sie verrosten. Er schlug das Eiweiß mit einem Messer, mit dem ich sonst Rasen jätete, und sein Eierschaum türmte sich auf wie flockige Wolken. Als Koch hatte er ein durchdringendes, hellsichtiges Auge und griff sich die fetteste Henne aus einem ganzen Hühnerhof heraus oder wog bedächtig ein Ei in der Hand und wußte, wann es gelegt war. Er machte Pläne für die Vervollkommnung des Speisezettels und verschaffte mir durch irgendwelche Beziehungen von einem Freunde, der bei einem Arzt weit weg von uns arbeitete, Samen für einen wirklich ausgezeichneten Salat, wie ich ihn schon jahrelang vergebens gesucht hatte.
Er hatte ein vortreffliches Gedächtnis für Rezepte. Er konnte nicht lesen und verstand kein Englisch; Kochbücher hatten also für ihn
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