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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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heiratete sehr jung, und eine Heirat ist bei den Kikuju eine kostspielige Sache. Damals hörte ich ihn tiefsinnige und eigenartige Reden über den Unwert des Geldes führen. Er stand in einem merkwürdigen Verhältnis zum Dasein, er meisterte es, aber er hatte keine hohe Meinung von ihm.
    Er besaß nicht die Gabe, jemand zu bewundern. Für die Klugheit der Tiere zeigte er Verständnis und Anerkennung, aber während der ganzen Zeit unserer Bekanntschaft habe ich ihn nur ein einziges Mal die guten Fähigkeiten eines Menschen rühmen hören, und zwar einer jungen Somalifrau, die einige Jahre später auf die Farm zog. Er hatte ein kleines höhnisches Lachen, das er bei jeder Gelegenheit vernehmen ließ, besonders wenn sich jemand selbstsicher oder großsprecherisch aufspielte. Alle Schwarzen haben einen Zug von Schadenfreude; wenn etwas schiefgeht, empfinden sie ein prickelndes Vergnügen, das für Europäer etwas Verletzendes und Empörendes hat. Kamante brachte es darin zu einer seltenen Vollkommenheit, sogar bis zu einer eigentümlichen Selbstironie, mit deren Hilfe er seine eigenen Enttäuschungen und Fehlschläge beinahe ebenso wie die anderer genießen konnte.
    Ich habe die gleiche Gesinnung an den alten Negerfrauen beobachtet, die mit allen Wassern gewaschen sind, die Blutsbrüderschaft mit dem Schicksal getrunken haben und dessen Ironie, wo immer sie sie trifft, mit einer Freude genießen, als sei es ihre eigene. Ich ließ an die alten Weiber auf der Farm sonntags morgens, wenn ich noch im Bett lag, durch meine Hausboys Schnupftabak austeilen. Zu diesem Behuf versammelte sich an den Sonntagen eine wunderliche Gesellschaft wie ein Schwarm von uralten ausgemergelten, abgerupften dürren Hühnern auf meinem Hof, und ein gedämpftes Gackern – denn die Schwarzen erheben nur selten ihre Stimme zu lauter Rede – klang durch die offenen Fenster meines Schlafzimmers herein. Eines Sonntagmorgens schoß das leise muntere Plätschern des Kikujugeschwabbeis plötzlich zu schrillen Läufen und Kaskaden der Heiterkeit auf; etwas maßlos Komisches mußte da draußen passiert sein; ich rief Farah herein, um es mir erzählen zu lassen. Farah berichtete nicht eben gern. Es stellte sich nämlich heraus, daß er vergessen hatte, Schnupftabak einzukaufen, so daß die alten Weiber heute, wie sie sagten, »bure«, das heißt umsonst, von weit her gekommen waren. Der Vorfall blieb noch lange Zeit ein Quell der Heiterkeit für die alten Kikujuweiber. Manches Mal, wenn ich auf einem Pfad in den Maisfeldern eine von ihnen traf, blieb sie vor mir stehen und wies mit krummen Fingern auf mich, verzerrte ihr altes dunkles Gesicht zu einem Grinsen, daß alle Runzeln und Falten sich zusammenzogen, als hätte einer an einer verborgenen Schnur gezerrt, und erinnerte mich an den Sonntag, wo sie und ihre Mitschnupferinnen hatten laufen und laufen müssen bis zu meinem Haus, um schließlich zu hören, daß ich vergessen hatte, Tabak zu kaufen, und daß kein Bröselchen da war – ha, ha, Msabu!
    Die Weißen behaupten oft, die Kikuju kennten keine Dankbarkeit. Kamante war keineswegs undankbar, er gab seinem Gefühl von Verpflichtung sogar mit Worten Ausdruck. Mehrere Male, noch viele Jahre nach unserem ersten Zusammentreffen, unterbrach er sich bei seiner Beschäftigung, um mir einen Dienst zu leisten, den ich ihm nicht aufgetragen hatte, und wenn ich fragte, warum er das getan habe, dann sagte er, wenn ich nicht gewesen wäre, würde er jetzt längst tot sein. Er bezeigte seine Dankbarkeit auch noch auf andere Weise, durch eine Art wohlmeinende, hilfreiche oder vielleicht, richtiger gesagt, verzeihende Haltung gegen mich. Es kann sein, daß in ihm das Bewußtsein lebte, daß er und ich die gleiche Religion hatten. In einer Welt von Narren war ich wohl für ihn eine Art Obernarr. Seit dem Tage, an dem er in meinen Dienst trat und sein Schicksal an meines heftete, fühlte ich sein wachsames durchdringendes Auge auf mir, meine ganze Lebensführung unterlag seiner klaren unbestechlichen Kritik; ich glaube, er hat von Anfang an die Mühe, die ich mir gab, ihn zu heilen, für Anwandlungen eines Sonderlings angesehen. Doch bezeigte er immer großes Interesse und Verständnis und bemühte sich, mir in meiner großen Torheit ein Führer zu sein. Bei manchen Gelegenheiten merkte ich, daß er Zeit und Geist an das Problem wendete und seine Unterweisungen klüglich vorbereitete und anschaulich machte, damit es mir leichter fallen sollte, sie zu

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