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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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keinen Wert, und er mußte alles, was er lernte, in seinem Kopf aufspeichern, wobei er nach einer Ordnung verfuhr, die ich nie ergründen konnte. Er hatte die Gerichte nach irgendeiner Begebenheit benannt, die sich an dem Tage zugetragen hatte, an dem es ihm gezeigt worden war; so sprach er von der Soße des Blitzes, der den Baum traf, und von der Soße des grauen Pferdes, das starb. Er verwechselte nie zwei derartige Gerichte. Nur eines habe ich ohne jeden Erfolg ihm beizubringen versucht: das war die Reihenfolge der Gerichte innerhalb der Mahlzeit. Wenn ich Gäste zu Tisch hatte, mußte ich meinem Küchenchef ein Menü in Bildern aufzeichnen; erst einen Suppenteller, dann einen Fisch, dann ein Stück Geflügel oder eine Artischocke. Ich glaube nicht, daß dieser Mangel auf einem Versagen des Gedächtnisses beruhte, sondern er war, glaube ich, der Ansicht, daß alles seine Grenzen habe und daß er mit etwas derartig Unmateriellem seine Zeit nicht vergeuden könne.
    Es ist eine aufregende Sache, mit einem Dämon zusammenzuarbeiten. Nominell gehörte die Küche mir, aber sowie unsere gemeinsame Tätigkeit begann, spürte ich, wie nicht nur die Küche, sondern die ganze Welt, in der wir uns zusammenfanden, in Kamantes Gewalt überging. Denn hier verstand er bis ins feinste, was ich von ihm wollte, und führte zuweilen meine Wünsche aus, bevor ich sie ausgesprochen hatte, während ich mir durchaus nicht erklären konnte, wie oder gar wann er dies oder das tat. Mir schien es unfaßlich, daß jemand in einer Kunst so groß sein konnte, deren eigentlichen Sinn er nicht verstand und für die er nichts empfand als Verachtung. Kamante hatte keine Ahnung, wie eine unserer Speisen schmecken mußte, und war, trotz seiner Bekehrung und seiner Beziehung zur Kultur, im Herzen ein waschechter Kikuju, der in den Traditionen seines Volkes wurzelte und in seinem Glauben an sie als die einzige menschenwürdige Art, zu leben. Er kostete zuweilen die Gerichte, die er kochte, aber mit einem Gesicht voller Argwohn, wie eine Hexe, die aus ihrem Kessel nippt. Er blieb bei den Maiskolben seiner Väter. Darin verließ ihn zuweilen sogar sein Scharfsinn, wenn er kam und mir eine Kikujudelikatesse, eine geröstete Knolle oder ein Stück Hammelfett anbot, wie ein Hund, der einem seinen Knochen als Geschenk vor die Füße legt. Im Grunde seines Herzens hielt er die Mühe, die wir uns mit unserer Nahrung machten, für eine Art Wahnsinn. Ich versuchte wiederholt, seine Ansichten darüber zu erforschen, aber obgleich er über alles mögliche sehr offen sprach, blieb er hierin verschlossen; und so arbeiteten wir Seite an Seite in der Küche und fragten nicht danach, was der andere von dem Wert der Kochkunst halten mochte.
    Ich schickte Kamante zum Lernen in den Mathaigaklub und zu den Köchen meiner Bekannten in Nairobi, wenn ich bei ihnen ein neues Gericht vorgesetzt bekam; so wurde mit der Zeit, als er seine Lehrjahre hinter sich hatte, mein Haus in der ganzen Kolonie berühmt für eine leckere Tafel. Das machte mir große Freude. Mich verlangte nach einem Publikum für meine Kunst, und es freute mich, wenn meine Freunde herauskamen und bei mir speisten. Kamante fragte nach keines Menschen Lob. Trotzdem erinnerte er sich an die besonderen Vorlieben der Gäste, die öfter auf die Farm kamen. »Ich werde den Fisch in weißem Wein kochen für Bwana Berkeley Cole«, sagte er mit bedenklicher Miene, als spräche er von einem Geisteskranken, »er sendet Euch ja selbst weißen Wein, um Fisch darin zu kochen.« Um das Urteil eines Kenners zu hören, lud ich meinen alten Freund Charles Bulpett aus Nairobi zu Tisch. Bulpett war ein großer Reisender aus der vorigen Generation – auch er schon um ein Menschenalter jünger als Phileas Fogg –, er war in der ganzen Welt herumgekommen und hatte überall vom Besten gekostet, was sie zu bieten hatte; er hatte sich nicht darum gesorgt, seine Zukunft zu sichern, solange er die Gegenwart genießen konnte. In Sport- und Bergsteigerbüchern der fünfziger Jahre kann man von seinen athletischen Leistungen und seinen Bergtouren in der Schweiz und in Mexiko lesen; es gibt auch ein Buch von berühmten Wetten – »Wie gewonnen, so zerronnen« heißt es –, da kann man lesen, wie er um einer Wette willen in Frack und Zylinder über die Themse geschwommen ist; später hat er unter noch romantischeren Umständen als Leander und Lord Byron den Hellespont überquert. Ich war glücklich, als er zu einem Diner zu zweit auf die

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