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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Tier in Beziehung bringt.
    Ich habe einmal im Londoner Zoo einen alten pensionierten Beamten getroffen, den ich in Afrika unter dem Namen Bwana Tembo, Herr Elefant, gekannt hatte. Er stand ganz allein vor dem Dickhäuterkäfig und war in die Betrachtung des Elefanten versunken. Vielleicht ging er da öfter hin. Seine schwarzen Dienstboten hätten das jedenfalls in der Ordnung gefunden, während wahrscheinlich in ganz London kein Mensch ihn verstand.
    Der Geist der Schwarzen geht seltsame Wege und ähnelt dem Geist der Menschen von einst, die es ganz natürlich fanden, daß Odin, um die Welt zu durchschauen, sein eines Auge hergab, und die den Gott der Liebe in der Gestalt eines Kindes begriffen, das nichts von Liebe weiß. Wahrscheinlich sahen die Kikuju meine Größe als Richter gerade darin, daß ich von dem Gesetz, nach dem ich Recht sprach, keine Ahnung hatte.
    Kraft ihrer mythischen Begabung können die Schwarzen einem auch etwas antun, wogegen man sich nicht wehren und wovor man nicht entfliehen kann. Sie können einen zum Symbol erheben. Ich merkte den Vorgang sehr wohl und hatte mir zum eigenen Gebrauch ein Wort dafür ausgedacht, ich nannte es im stillen die Aufrichtung der ehernen Schlange. Europäer, die lange Zeit unter Schwarzen gelebt haben, werden verstehen, was ich meine, wenn auch das Wort nicht ganz bibelgerecht angewandt ist. Ich glaube – trotz allem, was wir im Lande geleistet haben, allem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt und der Pax Britannica selbst –, daß dieses Aufrichten der ehernen Schlange der einzige wirkliche Gewinn ist, den die Schwarzen aus uns gezogen haben.
    Sie konnten nicht alle Weißen zu diesem Behufe brauchen und nicht jeden in gleicher Weise. Sie verliehen uns in ihrer Weltordnung Rangstufen, je nach unserer Brauchbarkeit als eherne Schlangen. Viele meiner Freunde – Denys Finch-Hatton, Galbraith und Berkeley Cole, Sir Northrup MacMillan – genossen in dieser Eigenschaft bei Schwarzen hohe Ehre.
    Lord Delamere war eine eherne Schlange ersten Ranges. Ich erinnere mich, wie ich einmal im Hochland eine Reise machte, zu der Zeit, als die Heuschreckenplage über das Land ging. Die Heuschrecken waren im Vorjahr dagewesen, nun kroch ihre kleine schwarze Brut aus und fraß, was sie übriggelassen hatten, und ließ keinen Halm hinter sich zurück. Für die Schwarzen war das ein furchtbarer Schlag; nach allem, was sie überstanden hatten, war das mehr, als sie ertragen konnten. Es brach ihnen das Herz, sie röchelten und jaulten wie sterbende Hunde, sie rannten mit den Köpfen gegen die Mauer, die sich vor ihnen erhob. Da erzählte ich ihnen zufällig, ich sei durch Delameres Farm gefahren und hätte auf ihr Heuschrecken gesehen, ringsum auf allen Pflanzungen und Weiden, und fügte noch hinzu, Delamere sei in großer Wut und Verzweiflung gewesen. In diesem Augenblick wurden die Hörer ganz still und beinahe heiter. Sie fragten mich, was Delamere von dem Unglück gesagt hätte, und baten mich, es zu wiederholen, und sprachen dann nichts mehr.
    Ich besaß als eherne Schlange nicht das Gewicht eines Lord Delamere, aber bei manchen Gelegenheiten erwies ich mich doch für die Schwarzen als brauchbar.
    Während des Krieges, als das Schicksal der schwarzen Hilfstruppen auf dem ganzen Volk lastete, kamen die Squatter der Farm zu mir und hockten sich rings ums Haus. Sie sprachen nicht, nicht einmal miteinander, sie richteten ihre Augen auf mich und machten mich zu ihrer ehernen Schlange. Ich konnte sie nicht gut fortjagen, denn sie taten keinen Schaden, und außerdem, wenn ich sie vertrieben hätte, hätten sie sich anderswo wieder hingesetzt. Es war schwer, ihren Anblick zu ertragen. Was mir half, war der Gedanke, daß das Regiment meines Bruders damals in vorderster Linie bei Vinney Ridge lag: ich richtete meine Augen auf ihn und machte ihn zu meiner ehernen Schlange.
    Für die Kikuju wurde ich zum Hauptleidtragenden oder Klageweib, sowie uns auf der Farm ein großes Unglück befiel. Das würde auch jetzt nach dem Unfall mit dem Jagdgewehr so werden. Da ich um die Kinder trauerte, kamen die Leute auf der Farm überein, die Sache auf die Seite zu schieben und sie vorläufig ruhen zu lassen. Hinsichtlich unserer Mißgeschicke schauten sie auf mich, wie die Gemeinde auf den Priester schaut, der den Kelch allein leert, aber in aller Namen.
    Es ist etwas Eigenes um die Verzauberung: wird sie einem einmal zuteil, so kann man sie nie wieder ganz loswerden. Für mich war es

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