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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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kaufen konnten. Das war ungeschickt von mir; sie nahmen es fürs erste Zeichen der Erschöpfung einer belagerten Stadt und richteten sich für die Nacht ein. Ich weiß nicht, ob sie es je über sich gebracht hätten, fortzugehen, wenn ihnen nicht spätabends der Gedanke gekommen wäre, den jungen Ochsentreiber für ihren Schaden haftbar zu machen. Dieser Einfall bewog sie, plötzlich wortlos zu verschwinden und am nächsten Morgen früh nach Dagoretti zu wandern, wo unser Bezirkspolizeikommissar seinen Sitz hatte.
    Damit brachten sie uns eine Kriminaluntersuchung und zahlreiche großmäulige schwarze Polizisten auf den Hals. Aber der Polizeikommissar wußte ihnen nichts anderes zu bieten, als daß der Ochsentreiber wegen Totschlags gehängt werden würde, und auch diese Aussicht schwand, als er den Fall geprüft hatte und die Ältesten sich weigerten, ein Kyama zu halten, nachdem er und ich von der Sache nichts mehr wissen wollten. So mußten sich denn die beiden Alten unter ein Gesetz der Relativität beugen, von dem sie nichts begriffen, wie andere Menschen auch.
    Zuweilen wurden mir meine Ältesten mit ihrem Kyama recht lästig, und ich sagte ihnen, was ich von ihnen hielt. »Ihr alten Männer«, sagte ich, »schröpft die Jungen so, daß sie für sich selber kein Geld sparen können. Die Jungen können sich euretwegen überhaupt nicht rühren, und ihr kauft euch alle Mädchen selber.« Die Alten hörten aufmerksam zu, die kleinen schwarzen Augen in den dürren runzligen Gesichtern zwinkerten, die dünnen Lippen regten sich, als wiederholten sie meine Worte: es machte ihnen Freude, einen so vortrefflichen Grundsatz einmal klar ausgesprochen zu hören.
    Bei aller Verschiedenheit unserer Anschauungen bot mir doch meine richterliche Stellung bei den Kikuju mancherlei Handhaben und war mir viel wert. Ich war damals jung und hatte wohl über die Begriffe Recht und Unrecht nachgedacht, aber doch meist vom Standpunkt des Menschen, dem Urteil gesprochen wird: auf dem Richterstuhl hatte ich noch nicht gesessen. Ich gab mir große Mühe, gerecht zu urteilen und auf der Farm Frieden zu halten. Manchmal, wenn die Probleme schwierig wurden, mußte ich mich zurückziehen und mir Bedenkzeit nehmen, gleichsam im Geiste mein Haupt verhüllend, damit niemand mir nahe kam und mich durch Reden störte. Das war für die Farmbewohner immer eine wirksame Geste, und ich hörte sie noch lange Zeit nachher mit Ehrfurcht von dem Fall reden, der so tief gewesen war, daß kein Mensch ihn in weniger als einer Woche ergründen konnte. Man kann auf Schwarze immer Eindruck machen, wenn man mehr Zeit an eine Sache verschwendet als sie selbst – aber leicht ist das nicht.
    Daß die Schwarzen mich überhaupt als Richter haben wollten und mein Urteil gelten ließen, findet seine Erklärung in ihrer mythologischen oder theologischen Denkweise. Die Europäer haben die Fähigkeit, Mythen oder Dogmen zu bilden, verloren, und soweit wir solcher bedürfen, sind wir auf unseren ererbten Vorrat angewiesen. Der Geist der Afrikaner hingegen bewegt sich frei und ungehindert auf diesen dämmerigen und verborgenen Pfaden. Dieses Talent tritt in ihrem Verkehr mit den Weißen ganz stark hervor.
    Etwas davon findet man in den Namen, die sie den Europäern schon nach kurzer Bekanntschaft zuweisen. Diese Namen muß man kennen, wenn man einen Läufer mit einem Brief zu einem Freunde schicken oder selbst den Weg zu seinem Hause erfragen will, denn die Schwarzen kennen ihn bei keinem anderen Namen. Ich hatte einen ungeselligen Nachbarn, der nie Gäste in sein Haus einlud, der hieß Sahani Moja, »ein Gedeck« ; mein schwedischer Freund Erik Otter hieß Risassi Moja, »eine Patrone« – womit gesagt sein sollte, daß er nicht mehr als eine Patrone brauchte, um zu töten –, ein Name, bei dem man sich gerne nennen hört. Ein leidenschaftlicher Autofahrer meiner Bekanntschaft wurde »halb Mann – halb Wagen« genannt. Wenn die Schwarzen den Europäern Tiernamen geben – der Fisch, die Giraffe, der Mastochse –, dann bewegt sich ihr Geist in den Gefilden der alten Sagen, und diese Weißen figurieren, glaube ich, in ihrem dunklen Bewußtsein zugleich als Mensch und Tier.
    In solchen Worten steckt Magie: ein Mensch, der viele Jahre in seinem ganzen Kreise unter dem Namen eines Tieres bekannt ist, der fühlt sich schließlich mit dem Tier verwandt, er erkennt sich selbst in ihm wieder. Wenn er nach Europa zurückkommt, dann befremdet es ihn, daß niemand ihn mehr mit dem

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