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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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ihrem Charakter von den Kikuju völlig verschieden, sie verachten sie von ganzem Herzen, aber sie setzen sich daheim in Somaliland genauso zusammen, um einen Mord, Raub oder Betrug in Stücke Vieh umzurechnen, in ihre innig geliebten Kamele und Pferde, deren Namen und Stammbaum sie in ihren Herzen tragen.
    Einmal kam Nachricht aus Nairobi, daß Farahs kleiner Bruder, ein zehnjähriger Bub, in einem Ort namens Buramur einen Stein aufgegriffen und einem Buben aus einer anderen Sippe an den Kopf geschmissen und ihm zwei Zähne ausgeschlagen hatte. Den Fall zu schlichten, trafen sich die Vertreter beider Sippen auf der Farm, hockten sich in Farahs Haus auf den Boden und verhandelten Nacht für Nacht. Es waren gebeugte Greise dabei, die in Mekka gewesen waren und den grünen Turban trugen, und freche junge Somali, die, wenn sie sonst nichts zu tun hatten, Jagdhelfer bei den großen europäischen Reisenden und Jägern waren, und dunkeläugige Jünglinge, die zaghaft ihre Familien vertraten, kein Wort sprachen, aber ehrfürchtig lauschten und lernten. Farah erzählte mir, die Sache würde darum so ernst genommen, weil das Gesicht des Buben verunstaltet sei und er es seinerzeit schwer haben werde, eine Frau zu finden, und seine Ansprüche hinsichtlich der Geburt und Schönheit seiner Braut werde herabsetzen müssen. Zuletzt wurde die Strafe auf fünfzig Kamele festgesetzt, also ein halbes »Wehrgeld«. Die fünfzig Kamele wurden im fernen Somaliland gekauft, um nach zehn Jahren dem Preis für ein Somalimädchen zugelegt zu werden und ihre Augen abzuwenden von den zwei Zahnlücken ihres Bräutigams. Vielleicht wurde damit der Grundstock für eine Tragödie gelegt. Farah meinte, er sei noch gut davongekommen.
    Die Schwarzen auf der Farm fragten nicht danach, was ich über ihre Rechtsnormen dachte, sie kamen zu mir hauptsächlich, um sich Schadenersatz zu verschaffen für ein Mißgeschick, das sie befallen hatte.
    Einmal, in der Kaffee-Erntezeit, wurde ein junges Kikujumädchen namens Wamboi nicht weit von meinem Hause von einem Ochsenwagen überfahren und getötet. Die Wagen brachten den Kaffee vom Felde zur Aufbereitung, und ich hatte verboten, daß jemand mitfuhr, sonst hätte ich auf jeder Fuhre eine Schar von lustigen Pflückerinnen und Kindern erlebt, die sich eine herrliche lange Reise durch die ganze Farm gegönnt hätten – denn kein Tier geht so langsam wie ein Ochse –, und das wäre den Tieren zuviel geworden. Die jungen Fuhrknechte brachten es aber nicht fertig, die traumäugigen Mädchen abzuweisen, die neben dem Wagen herliefen und um ihr Vergnügen bettelten; sie konnten sie nur dazu bringen, da, wo die Straße in Sicht des Hauses kam, wieder abzuspringen. Wamboi fiel dabei hin, und das Rad des Wagens ging über ihren kleinen schwarzen Kopf und brach ihr den Schädel, ein kleines Blutrinnsal sickerte in die Radfurche.
    Ich schickte nach ihren alten Eltern, die vom Felde hereinkamen und über ihr zu klagen anhuben. Ich wußte, daß ihr Tod auch eine schwere Einbuße für sie bedeutete, denn das Mädchen war im heiratsfähigen Alter und hätte ihnen eine erkleckliche Summe in Schafen und Ziegen und ein oder zwei Kühe eingebracht. Damit hatten sie seit seiner Geburt gerechnet. Ich überlegte noch, wie weit ich ihnen helfen konnte, als sie mir zuvorkamen und mit großem Nachdruck vollen Schadenersatz von mir forderten.
    Ich weigerte mich zu bezahlen. Ich hatte den Mädchen verboten, auf den Wagen mitzufahren, das wußte jedermann auf der Farm. Die Alten nickten, sie dachten nicht daran, das zu bestreiten, aber sie blieben unverrückbar bei ihrer Forderung. Zahlen mußte irgend jemand. Ein Widerspruch gegen diese Idee ging ebensowenig in ihren Kopf wie die Relativitätstheorie. Und es war nicht Habgier oder Trotz, was sie veranlaßte, mir auf den Fersen zu folgen, als ich den Streit abbrach und davonging, sondern eine Art Magnetismus, der sie an mich band, ein Naturgesetz.
    Sie kauerten sich hin und warteten vor meinem Hause. Es waren arme Leute, klein und schmächtig; sie sahen aus wie ein Paar alte Dachse, die auf der Wiese kauerten. Sie hockten da, bis die Sonne unterging und ich ihre Gestalten kaum noch vom Gras unterscheiden konnte. Sie waren in tiefe Trauer versunken, ihre Verwaistheit und ihr Vermögensverlust verschmolzen zu einem einzigen übermächtigen Kummer. Farah war an dem Tage fort; als im Hause die Lampen angezündet wurden, schickte ich ihnen Geld hinaus, damit sie sich ein Schaf zum Nachtmahl

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