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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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zu bringen. Ich konnte damit rechnen, daß Kinanjui kommen würde, denn er besaß eine Eigenschaft, die bei einem guten Freunde unschätzbar ist: er war zuverlässig.
    Durch diesen Brief kam die ganze Geschichte, die eine Weile geruht hatte, aufs neue in Gang und fand einen dramatischen Abschluß.
    Eines Nachmittags, als ich auf mein Haus zuritt, sah ich, wie ein Auto die Straße entlangraste und auf zwei Rädern in die Kurve bog. Es war ein scharlachroter Wagen mit viel glitzerndem Nickel; ich kannte ihn, er gehörte dem amerikanischen Konsul in Nairobi, und ich überlegte, was für ein dringendes Anliegen den amerikanischen Konsul wohl vermochte, in solchem Tempo bei mir vorzufahren. Als ich aber an der Rückseite des Hauses vom Pferde stieg, kam Farah mir entgegen und sagte, der Häuptling Kinanjui sei eingetroffen. Er war in seinem eigenen Auto gekommen, das er tags zuvor dem amerikanischen Konsul abgekauft hatte, und wollte nicht aussteigen, ehe ich ihn nicht darin gesehen hatte.
    Ich fand Kinanjui in seinem Wagen, aufrecht sitzend, regungslos, wie ein Götterbild. Er trug seinen weiten Mantel von blauem Affenfell und auf dem Kopf eine Art Helm, wie ihn die Kikuju aus Schafsmägen machen. Er war schon von Natur eine imposante Gestalt, groß und breit, ohne eine Spur von Fett, er hatte ein stolzes, langes, knochiges Gesicht mit einer fliehenden Stirn wie die Indianer. Seine Nase war breit und so ausdrucksvoll, daß sie gleichsam den Mittelpunkt des Mannes bildete, so als wäre der ganze stattliche Leib nur dazu da, die breite Nase zu tragen. Wie der Rüssel eines Elefanten hatte sie etwas Kühnes, Forschendes und dabei Empfindsames und Kluges, herausfordernd und wachsam zugleich. Ohne sie hätte Kinanjui, wie der Elefant, das edelstgeformte Gesicht haben können, aber er hätte nicht so weise ausgesehen.
    Kinanjui öffnete nicht den Mund und gab keinen Ton von sich, als ich ihn am Wagen begrüßte, er starrte gerade vor sich hin, so daß ich sein Gesicht im Profil zu sehen bekam wie den Kopf einer Medaille. Als ich herumging und vor den Wagen trat, drehte er seinen Kopf zur Seite, das königliche Profil mir zugewandt; vielleicht dachte er dabei wirklich an den Kopf des Königs auf einer Rupie. Einer seiner jüngeren Söhne machte den Chauffeur; der Motor kochte. Als die Zeremonie vorüber war, forderte ich Kinanjui auf auszusteigen. Er raffte seinen großen Mantel mit majestätischer Gebärde zusammen und stieg herab – und trat mit dieser einen Bewegung um zweitausend Jahre zurück auf eine Gerichtsstätte der Kikuju.
    An der westlichen Wand meines Hauses stand eine steinerne Bank und vor ihr ein Tisch, dessen Platte ein Mühlstein war. Der Stein hatte eine tragische Geschichte: es war der obere Mühlstein aus der Mühle der zwei Inder, die ermordet worden waren. Nach dem Mord hatte niemand wieder gewagt, die Mühle zu übernehmen; sie stand lange Zeit leer und verlassen, und ich ließ den Stein an mein Haus bringen und als Tischplatte aufstellen; das erinnerte mich an Dänemark. Die indischen Müller hatten mir erzählt, ihr Mühlstein sei über die See aus Bombay gekommen, da die Steine in Afrika nicht hart genug seien. Auf der Oberseite war ein Muster eingraviert, in dem einige große braune Flecken zu sehen waren; meine Hausboys behaupteten, es sei das Blut der Inder, das nie wieder verschwinden würde. Der Mühlsteintisch war in gewissem Sinne der Mittelpunkt der Farm, denn ich pflegte an ihm zu sitzen, sooft ich mit den Schwarzen etwas zu verhandeln hatte. Von der steinernen Bank am Mühlstein aus haben Denys Finch-Hatton und ich einmal zu Neujahr die junge Mondsichel, Venus und Jupiter dicht beisammen in einer Gruppe am Himmel stehen sehen; es war ein so strahlendes Bild, daß man kaum glauben konnte, daß es wirklich sei; ich habe es nie wieder gesehen.
    Ich nahm nun meinen Platz ein, Kinanjui zur Linken. Farah stellte sich rechts von mir auf und ließ sein wachsames Auge über die Kikuju schweifen, die sich vor dem Hause versammelten und von allen Seiten herbeiströmten, als sich die Nachricht von Kinanjuis Ankunft auf der Farm verbreitete.
    Farahs Haltung gegenüber den Eingeborenen des Landes war ein sehenswerter Anblick. Sowenig wie der Ausdruck und die Mienen der Massaikrieger war sie von gestern oder vorgestern, sondern das Produkt von Jahrhunderten. Dieselben Kräfte, die sie gebildet hatten, hatten auch mächtige Bauwerke aus Stein errichtet; doch die waren längst zu Staub zerbröckelt.
    Da, wo

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