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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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rauchte die Zigarren, die ich ihm hinausschickte, während seine Berater und seine Garde ringsum auf dem Rasen hockten. Meine Hausboys und Squatter kamen, sowie sie von seiner Ankunft hörten, herbei und umringten ihn und erzählten ihm von den Begebenheiten auf der Farm; der ganze Kreis bildete sozusagen eine Art politischen Klub im Schatten der hohen Bäume. Kinanjui wandte bei diesen Versammlungen einen eigenen Trick an: wenn er fand, daß die Gespräche sich zu sehr in die Länge zogen, dann legte er sich in seinen Stuhl zurück und schloß – ohne jedoch seine Zigarre ausgehen zu lassen – die Augen und atmete tief und langsam mit einem leisen gleichförmigen Schnarchton. Es war eine Art amtlicher Pro-forma-Schlaf, den er sich für die Sitzungen seines Staatsrats zugelegt haben mochte. Manchmal ließ ich einen Stuhl für mich hinaustragen, um mit ihm zu plaudern. Wenn das geschah, dann schickte er alles fort, um anzuzeigen, daß nunmehr die Welt allen Ernstes regiert werde. Als ich ihn kennenlernte, war Kinanjui nicht mehr, was er gewesen war; das Leben hatte ihm arg zugesetzt. Aber wenn er freimütig und offen mit mir allein sprach, bewies er eine große Originalität und einen reichen, kühnen, erfinderischen Geist; er hatte über das Leben nachgedacht und hielt an seinen entschiedenen Ansichten darüber fest.
    Einige Jahre früher hatte sich ein Vorfall ereignet, der die Freundschaft zwischen mir und Kinanjui befestigt hatte.
    Er war eines Tages zu mir gekommen, als ich mit einem durchreisenden Bekannten beim Frühstück saß, vor dessen Abreise ich mich dem Kikujuhäuptling nicht widmen konnte. Kinanjui rechnete wohl damit, daß ihm nach seinem langen Marsch in der Sonne für die Wartezeit etwas zu trinken angeboten würde, aber ich hatte gerade nichts, was ein Glas voll gemacht hätte. So füllten mein Freund und ich einen Tumbler mit den verschiedensten Sorten starker Schnäpse, die ich im Hause hatte. Je kräftiger die Mischung geriet, dachte ich mir, desto länger würde sie den Häuptling beschäftigen, und brachte sie ihm selbst hinaus. Kinanjui aber hatte kaum mit höflichem Lächeln seine Lippen genetzt, als er mir den innigsten Blick zuwarf, den ich je von einem Manne erhalten habe, sein Haupt zurücklegte und das Glas bis auf den letzten Tropfen leerte. Eine halbe Stunde später, als mein Freund eben fortgefahren war, kamen meine Hausboys herein und sagten: »Kinanjui ist tot.« Mir ging es durch und durch, und die Reue stand vor mir auf wie ein großes drohendes Gespenst. Ich ging hinaus, um ihn zu sehen.
    Er lag im Schatten der Küche am Boden, das Gesicht ausdruckslos, die Lippen und Finger blau und totenkalt. Mir war wie einem, der einen Elefanten zur Strecke gebracht hat: durch eine Bewegung seiner Hand hat er verschuldet, daß ein mächtiges und königliches Geschöpf, das über die Erde gegangen ist und eine eigene Meinung von den Dingen der Welt gehabt hat, nicht mehr über sie geht. Entwürdigt sah er aus, denn die Kikuju hatten ihn mit Wasser begossen und ihm seinen großen Mantel aus Affenfell abgenommen. In seiner Nacktheit war er wie ein Tier, dem man die Trophäe geraubt, um derentwillen man es getötet hat.
    Ich wollte Farah nach einem Arzt schicken, aber wir brachten den Wagen nicht in Gang, und Kinanjuis Begleiter baten uns dringend, noch etwas zu warten, ehe wir irgend etwas unternahmen.
    Nach einer Stunde, als ich eben wieder hinausgehen wollte, um ihnen zuzureden, kamen meine Hausboys wieder herein und sagten: »Kinanjui ist nach Hause gegangen.« Er war plötzlich aufgestanden, hatte seinen Mantel umgeworfen, sein Gefolge um sich versammelt und war, ohne ein Wort zu sagen, die neun Meilen bis zu seinem Dorf zurückmarschiert.
    Das konnte mir, glaube ich, Kinanjui nie vergessen, daß ich ein Risiko, ja, eine ernstliche Gefahr auf mich genommen hatte – denn es war streng verboten, Eingeborenen Alkohol zu geben –, um ihn glücklich zu machen.
    Er kam später noch wiederholt zur Farm und rauchte eine Zigarre bei uns, aber von einem Schnaps war nie mehr die Rede. Ich hätte ihn ihm gegeben, wenn er den Wunsch geäußert hätte, aber ich wußte, daß er nicht wieder darum bitten würde.
     
    Ich schickte nun einen Läufer zu Kinanjuis Dorf und berichtete ihm den ganzen Unfall. Ich bat ihn, auf die Farm zu kommen und den Fall endgültig zu schlichten. Ich schlug vor, Wainaina die Kuh mit dem Kalb, von der Kaninu gesprochen hatte, zu geben und damit die ganze Sache zum Abschluß

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