Jenseits von Afrika
man das Land betritt, wenn man in Mombasa das Schiff verläßt, sieht man zwischen den alten hellgrauen Baobabbäumen – die nicht wie ein irdisches Gewächs, eher wie poröse Versteinerungen, wie gigantische Belemniten aufragen – graue Steintrümmer von Gebäuden, Minaretts und Brunnen. Ruinen der gleichen Art findet man die ganze Küste entlang, in Takaunga, Kalifi und Lamu. Es sind die Überreste von Städten der alten arabischen Elfenbein- und Sklavenhändler.
Die arabischen Kauffahrer kannten alle Fahrwasser der afrikanischen Küste und die blauen Pfade, die zum großen wohlvertrauten Handelsplatz Sansibar führten, einst, als Aladin dem Sultan vierhundert juwelenbeladene Sklaven schickte und die Sultanin, indes ihr Gatte auf der Jagd war, mit ihrem Negerliebsten schmauste und dafür mit dem Tode büßen mußte.
Wahrscheinlich brachten diese Händler, als sie reich wurden, ihre Harems mit nach Mombasa und Kalifi und blieben in ihren Landhäusern an der langhin schäumenden Brandung des Ozeans, während ihre Expeditionen ins Hochland drangen.
Denn aus dem wilden, herben Inland, von den brandgedörrten Steppen und den unerforschten wasserlosen Hochflächen, aus dem Lande mit den breitästigen Dornbäumen an den Flußufern und den winzigen, scharf duftenden wilden Blüten auf der schwarzen Erde quoll ihr Reichtum. Denn dort, auf dem Dache Afrikas, lebte der gewichtige, weise, majestätische Träger des Elfenbeins. Er wanderte, tief in Gedanken, und hatte keinen Wunsch, als allein gelassen zu werden. Aber er wurde verfolgt und von den vergifteten Pfeilen der kleinen schwarzen Wandorobo und den langen silberinkrustierten Vorderladern der Araber getötet; er wurde in Fallen gelockt und in Gruben gejagt, um seiner langen, glatten, hellbraunen Stoßzähne willen, auf die die Herren in Sansibar warteten.
Hier oben wurde auch Waldboden in kleinen Parzellen gerodet, ausgebrannt und mit Bataten und Mais bepflanzt von einem scheuen, friedliebenden Volk, das nicht recht zu kämpfen, nichts Rechtes zu erfinden wußte, aber seine Ruhe haben wollte und das ebenso wie das Elfenbein auf dem Markt gefragt war.
Die großen und kleinen Raubvögel kamen in Scharen heraufgezogen.
»Tous les tristes oiseaux mangeurs de chair humaine
S’assemblent. Et les uns laissant un crâne chauve,
Les autres aux gibets essuyant leur bec fauve
D’autres d’un mat rompu quittant les noirs agrès …«
Die kalten, sinnlichen Araber kamen, Todesverachtung im Herzen, den alten Rechnergeist voll Astronomie, Algebra und schöner Haremsfrauen. Und mit ihnen kamen ihre jüngeren illegitimen Halbbrüder, die Somali – draufgängerisch, zanksüchtig, nüchtern und habgierig –, und machten den Mangel der Geburt wett, indem sie eifrige Mohammedaner und treuere Erfüller der Gebote des Propheten wurden als die rechtmäßigen Erben. Die Suaheli schlossen sich an, selbst Sklaven und von sklavischem Sinn, grausam, unzüchtig, diebisch, voller List und Späße, im Alter zur Fettleibigkeit neigend.
Im Innern des Landes stießen sie mit den einheimischen Raubvögeln des Hochlandes zusammen. Die Massai drangen ein, schweigend, wie hohe, schmale schwarze Schatten, mit Speeren und schweren Schilden, argwöhnisch gegen Fremde, mit leichter Hand bereit, ihre Brüder zu verkaufen.
Die verschiedenartigen Vögel mögen hier oben zusammengehockt und beraten haben. Farah erzählte mir, daß in alten Zeiten, ehe die Somali ihre eigenen Weiber aus Somaliland herüberbrachten, ihre jungen Männer von allen Volksstämmen des Landes nur die Massaimädchen heiraten durften. Das mögen in manchem Sinne merkwürdige Ehen gewesen sein. Denn die Somali sind ein frommes Volk, und die Massai kennen keine Religion und haben keinen auch nur ahnenden Sinn für etwas Überirdisches. Die Somali sind sauber und geben wohl acht auf ihre Waschungen und Reinigungen, während die Massai ein schmutziges Volk sind. Die Somali legen auch großen Wert auf die Jungfräulichkeit ihrer Bräute; die jungen Massaimädchen aber nehmen es mit ihrer Moral recht leicht. Farah erklärte mir die Sache mit einem Wort. Die Massai, sagte er, sind nie Sklaven gewesen. Man kann sie nicht in der Sklaverei halten, man kann sie nicht einmal ins Gefängnis stecken. Sie sterben in der Haft innerhalb von drei Monaten; das englische Gesetz verurteilt deshalb keinen Massai zu Gefängnis, sie werden mit Geldbuße bestraft. Diese Unfähigkeit, unterm Joch am Leben zu bleiben, hat den Massai von allen
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