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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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sich Tränen ab. Es wäre ein Wunder gewesen, ein Ergrünen des Pilgerstabes, wenn Kaninu über Tränen verfügt hätte, und noch wunderbarer, wenn er keinen Nutzen daraus gezogen hätte. Ich überlegte, was wohl auf der Farm geschehen sein mochte, während ich mit meinen Gedanken anderswo gewesen war. Als Kaninu fort war, rief ich nach Farah und fragte ihn.
    Farah war zuweilen für Angelegenheiten der Eingeborenen nicht zu haben, als seien sie zu geringfügig, als daß er sich bei ihnen aufhalten und ich sie anhören müßte. Schließlich ließ er sich herbei, mir zu erzählen, und sah dabei an mir vorüber zum Fenster hinaus auf die Sterne. Der tiefere Grund von Kaninus Zusammenbruch war Wainainas Mutter, die eine Hexe war und ihn verzaubert hatte.
    »Aber Farah«, sagte ich, »Kaninu ist sicher viel zu alt und klug, um an Zauberei zu glauben.« – »Nein«, sagte Farah bedächtig, »nein, Memsahib. Denn dies alte Kikujuweib kann, glaube ich, wirklich so etwas tun.«
    Die Alte hatte Kaninu gesagt, seine Kühe würden noch einsehen, daß es besser für sie gewesen wäre, wenn Kaninu sie sofort Wainaina gegeben hätte. Nun wurden Kaninus Kühe blind, eine nach der anderen. Unter dieser Prüfung brach Kaninu langsam das Herz, so wie die Knochen und Gelenke der Menschen, denen man einst zur Folter immer schwerere und schwerere Gewichte auflud.
    Farah sprach von der Zauberkunst der Kikuju trocken und sachlich wie von einer Maul- und Klauenseuche auf der Farm, die zwar uns selbst nicht befiel, durch die wir aber unser Vieh verlieren konnten.
    Spätabends saß ich noch und sann über das Zauberwesen auf der Farm. Zuerst sah alles so häßlich aus wie etwas, was sich aus einem alten Grabe gestohlen hatte und mit platt gedrückter Nase an meinen Fensterscheiben lauerte. Ich hörte die Hyänen unten vom Fluß her heulen, und mir fiel ein, daß die Kikuju von Werwölfen erzählten, alten Weibern, die nachts die Gestalt von Hyänen annahmen. Vielleicht trottete Wainainas Mutter jetzt den Fluß entlang und fletschte ihre Zähne in die Nacht hinaus. Ich hatte mich mit der Zeit an den Gedanken der Zauberei gewöhnt, sie erschien durchaus glaubhaft; in Afrika geht bei Nacht mancherlei um.
    »Dies alte Weib ist gemein«, sagte ich zu mir auf kisuaheli, »sie gebraucht ihre Künste, um Kaninus Kühe blind zu machen. Und mir überläßt sie es, mit einer Flasche Milch von meinen Kühen ihr Enkelkind am Leben zu erhalten.«
    Dieser Unfall, dachte ich, und was sich aus ihm gebiert, dringt ins Blut der Farm, und ich bin schuld daran. Ich muß frische Kräfte herbeiholen, oder die Farm wird zu einem bösen Traum, einem Nachtmahr. Ich weiß, was ich tue; ich werde Kinanjui rufen lassen.

Ein Häuptling der Kikuju
    Der große Häuptling Kinanjui lebte etwa neun Meilen nordöstlich von der Farm im Kikujureservat, unweit der französischen Mission, und herrschte über mehr als hunderttausend Kikuju. Er war ein kundiger alter Mann von feinem Betragen und besaß echte Größe, obwohl er nicht Häuptling von Geburt war, sondern vor Jahren von den Engländern eingesetzt worden war, als sie mit dem rechtmäßigen Herrscher der Kikuju des Gebietes nicht mehr auskamen.
    Kinanjui war mein Freund und hatte sich mir bei manchen Gelegenheiten hilfreich gezeigt. Sein Manyatta, zu dem ich einige Male hinüberritt, war ebenso dreckig und voller Fliegen wie die der übrigen Kikuju. Aber es war viel größer als alle, die ich kannte, denn kraft seiner Stellung als Häuptling hatte Kinanjui sich hemmungslos den Freuden des Ehelebens hingegeben. Das Dorf war voll von seinen Frauen jeden Alters, von schlabberhäutigen, zahnlosen, alten lahmen Hexen bis zu den zartesten, mondgesichtigen, gazellenäugigen Nymphen mit schimmernden Kupfergewinden um die Arme und schlanken Beine. Ringsum wimmelten seine Kinder, schwarmweise, wie die Fliegen. Die jungen Männer, seine Söhne, aufrechte Burschen mit kriegerischen Kopfschmuck, trieben sich in der Umgegend herum und stifteten manchen Unfug. Kinanjui erzählte mir einmal, er habe derzeit fünfundfünfzig Söhne, die alle Krieger, Morani, seien.
    Zuweilen kam der alte Häuptling zu meiner Farm herüber, in einem prunkvollen Fellmantel, begleitet von zwei oder drei weißhaarigen Senatoren und etlichen seiner bewaffneten Söhne, um mir einen Freundschaftsbesuch zu machen oder sich von den Regierungsgeschäften zu erholen. Dann verbrachte er den Nachmittag in einem Liegestuhl, der für ihn auf den Rasen getragen wurde, und

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