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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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leid«, flüsterte sie, obwohl es eigentlich nicht das war, was sie sagen wollte, aber es war ihr einfach unmöglich, ihre widerstreitenden Gefühle, die zwischen Freude, Angst vor Zurückweisung und auch Angst vor zu viel Nähe schwankten, unter Kontrolle zu bekommen. Hilflos stand sie da und schwieg.
    Dirk Konrad zupfte Maurice am Ärmel seines T-Shirts. »Komm, wir sind hier überflüssig. Die beiden müssen einen Moment ungestört sein.«
    Maurice sträubte sich, stotterte, dass seine Mutter ihn brauche, man könne doch sehen, wie geschockt sie sei, und dass er sie doch jetzt unmöglich allein lassen könne.
    Dirk zog ihn resolut mit sich. »Doch, das kannst du, du musst es.«
    Mit festem Griff führte der Cordelias Sohn hinüber in den Schatten des mächtigen alten Mangobaums, der seine ausladenden Zweige über die Auffahrt ausbreitete. »Wir warten jetzt hier, bis die beiden Frauen sich aussortiert haben. Da hat sich sicher im Laufe der Jahrzehnte viel Müll angesammelt. Schließlich bekommt man nicht jeden Tag eine brandneue Schwester präsentiert. Obwohl ich glaube …« Er schaute hinüber zu den zwei
Frauen, »ich glaube, da steckt noch mehr dahinter …«, murmelte er in sich hinein.
    Verloren stand Maurice herum, schlenkerte mit den Armen, bückte sich dann und hob eine goldgelbe Mango auf, die heruntergefallen war, roch daran, warf sie weg und verlegte sich dann darauf, mit gesenktem Kopf hin und her zu laufen. Wie der sprichwörtliche Tiger im Käfig. Drei Schritte nach links, drei Schritte nach rechts. Seine Schuhe knirschten auf der ausgetrockneten roten Erde. Die Sonne brannte. Eine Taube gurrte.
    Dirk, der entspannt mit den Händen in den Taschen seiner Cargoshorts am Baumstamm lehnte und von einem eiskalten Bier träumte, sah ihm eine Weile zu. Mit wachsender Irritation.
    Â»Herrje, Maurice, beruhige dich«, rief er endlich. »Deine Mutter wird schon mit dem Leben davonkommen. Du hast das Dokument gesehen. Akzeptier einfach, dass es so ist, wie Anita es sagt. Sie und deine Mutter sind Schwestern. Punkt, aus. Setz dich irgendwo hin! Du machst mich kribbelig.«
    Maurice sah ihn verwirrt an, blieb aber stehen und schaute sich unschlüssig nach einer Sitzgelegenheit um. Er fand einen kniehohen Felsen, der zwischen wulstigen Wurzeln aus dem Boden ragte, setzte sich und zog seine Schuhe aus. Tief in Gedanken begann er, mit seinen Zehen Kringel in den Sand zu malen. Die Blätter des Baumes bewegten sich kaum, der süßliche Duft überreifer Mangos erfüllte die Luft. Die Hitze lag wie eine Decke auf dem Land und dämpfte sogar das Schrillen des Zikadenchors. Irgendwo schwirrte das schläfrige Kichern zweier Vögel. Die Taube war verstummt.
    Lethargie senkte sich auf Dirk. Er gähnte, und die Vision eines eisgekühlten Biers stand in Überlebensgröße vor ihm. Gerade als er sich vorstellte, wie der Schaum am kalten Glas herunterrutschte, erschütterte ein stoßartig kurzes, tiefes Röhren die Erde, dass alle Lebewesen wie abgeschnitten verstummten. Das Abbild
des schäumenden Biers vor Dirks innerem Auge brach abrupt in sich zusammen.
    Â»Was war denn das?«, brüllte er.
    Maurice sah nicht hoch und wedelte abwesend mit der Hand. »Ach, einer meiner Löwen.« Mehr Auskunft gab er nicht, sondern konzentrierte sich auf die Armada großer roter Ameisen, die jetzt vor ihm aufmarschierte. Er zog seine Füße an und stocherte trotzig schweigend mit einem Stock zwischen den aufgeregt umherwimmelnden Insekten.
    Dirk sah ihm ungläubig zu. »Du hast Löwen als Haustiere?« Unwillkürlich vergewisserte er sich, dass hinter ihm keine der großen Raubkatzen herumschlichen. »Ein bisschen sehr speziell, nicht? Laufen die frei im Haus herum?« Er zog eine sarkastische Grimasse, um zu zeigen, dass er das natürlich als Scherz gemeint hatte, und ließ sich wieder gegen den Baumstamm fallen.
    Â»Ach was, das tun nur ein oder zwei, die ich selbst aufgezogen habe«, war Maurice’ erstaunliche Antwort. »Eigentlich sind es keine Haustiere. Ich züchte sie zum Verkauf an Zoos und Wildtierfarmen.«
    Der Reporter in Dirk wurde hellwach. Im Geist machte er sich eine Notiz, dass er bei diesem Thema noch einmal nachhaken musste. Über Löwenzuchten hatte er schon irgendwo etwas gelesen, aber alles, was ihm davon im Gedächtnis geblieben war, war das

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