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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Gefühl von Empörung, das er bei der Lektüre gespürt hatte. Was ihn empört hatte, war ihm entfallen, aber er war sich sicher, dass es ihm bald wieder einfallen würde.
    Er stieß sich vom Baumstamm ab. »Wann ist deine Mutter eigentlich nach Zululand gekommen?«
    Ãœberrascht hob Maurice den Kopf. »Sie ist hier geboren, hier auf … Timbuktu . Damals gab es das neue Haus noch nicht. Meine Großeltern und Mama lebten in dem alten Farmhaus. Wir haben es inzwischen abgerissen … Mama wollte es so, obwohl es eigentlich noch ganz in Ordnung war. Man hätte etwas draus
machen können, aber ich glaube, das Haus erinnerte sie an etwas oder an eine Zeit, an die sie nicht mehr erinnert werden wollte. Ich weiß noch genau, dass sie selbst mit angepackt hat, als es abgerissen wurde. Sie hat mit der Axt darauf eingeschlagen, als würde sie jemanden umbringen wollen.«
    Er zerquetschte eine Ameise, die sofort von ihren Artgenossen gepackt und weggezerrt wurde. Gesenkten Kopfes sprach er weiter.
    Â»Gesagt hat sie nichts. Ich habe sie immer und immer wieder deswegen gelöchert, aber sie hat nie ein Wort darüber verloren.« Er drehte sich um und sah hinüber zu seiner Mutter. »Ist Anita wirklich ihre Schwester? Meine Tante?«
    Der Kameramann hob die Schultern. »Keine Ahnung, aber es sieht so aus, oder? Die Geburtsurkunde ist offenbar echt. Würde dich das freuen?«
    Â»Himmel, ja«, war die ebenso spontane wie überraschende Antwort. »Ich habe überhaupt keine Familie außer meiner Mutter … Deswegen hängen wir wohl auch so sehr aneinander.«
    Tränen glitzerten in Maurice’ Augenwinkeln, und er wirkte auf einmal viel jünger, als er war. Mehr wie ein Junge  – ein Kind, das Kummer hatte und nicht mehr weiterwusste. Sehnsüchtig schaute er hinüber zu Anita. »Und ich mag Anita sehr. Ihre gradlinige Art, ihre Einfühlsamkeit … Es wäre schön, wenn sie Familie wäre.«
    Aufmerksam beobachtete Dirk, wie Anita sich ebenfalls auf dem Treppenabsatz niederließ, behutsam eine Hand ausstreckte und die abweisende Schulter Cordelias berührte. Diese schüttelte sie ab und verkroch sich noch tiefer in sich. Anita zuckte zurück. Ihr Pony fiel ihr über die Augen und verbarg ihr Gesicht.
    Dirks Pulsschlag beschleunigte sich. Er spürte das Jagdfieber in seinen Adern, das ihn immer noch jedes Mal packte, wenn er einer guten Story auf der Spur war. Ihm wurde auf einmal klar,
dass sich vor seinen Augen vermutlich die Fortsetzung von Anitas Buch Timbuktu abspielte. Von dem Film erwartete er sich einen großen Erfolg. Mit Flavio hatte er schon die Möglichkeit an einen Folgefilm angedacht, und der Agent von Anita Carvalho hatte die Fortsetzung bereits in Aussicht gestellt. Zwar hatte er gemerkt, dass sie Probleme hatte, einen Anfang zu finden, aber das hatte sich ja wohl gerade geändert. Auch Anita würde das erkannt haben. Talent hatte sie, das war sicher.
    Sowie er zurück auf Inqaba war, musste er mit Flavio sprechen, und mit Anita natürlich. Aber, so nahm er sich vor, da er den Regisseur sehr gut kannte, würde er wie ein Schießhund aufpassen müssen, dass Anita und Cordelia die Rechte an ihrer Geschichte behielten und dass Anita das Buch schreiben würde, nicht irgendein Drehbuchschreiber. Das war er ihr schuldig.
    Und das, schoss es ihm gleichzeitig durch den Kopf, würde bewirken, dass er und sie sich über einen längeren Zeitraum öfter sehen würden. Dafür würde er sorgen. Er erwischte sich bei einem Lächeln. Na sieh einer an, dachte er. Na sieh doch einer an! Nachdenklich beobachtete er Maurice, der hektisch damit beschäftigt war, seine Füße vor dem entschlossen angreifenden Ameisenheer zu retten.
    Â»Weißt du eigentlich, was passiert ist?«, fragte er ihn. »Anscheinend hatte deine Mutter seit Ewigkeiten keinerlei Kontakt zu ihren Eltern  – ich meine, sie wusste ja offensichtlich nichts von der Existenz Anitas. Das ist wohl eindeutig, und das heißt, seit mindestens drei Jahrzehnten hat sie weder mit ihrer Mutter noch mit ihrem Vater kommuniziert.«
    Hilflos zuckte Maurice mit den Schultern und zerdrückte abwesend eine weitere Ameise, ein großes Tier mit unangenehm aussehenden Kneifzangen. »Ich weiß es nicht. Mir hat sie gesagt, dass meine … Übersee-Großeltern bei einem Unfall ums Leben

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