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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Gewitterleuchten wechselte ihre Miene zwischen Verwirrung, tiefer Erschrockenheit und unübersehbar Angst. Aber noch immer schwieg sie.
    Maurice hatte während des Pingpong-Wortwechsels den Kopf von einer zur anderen gewendet. Bei Anitas Worten blieb ihm der Mund offen stehen. Offenbar verstand er Deutsch. »Heiliger Strohsack«, brach es aus ihm heraus. Völlig überrumpelt musterte er seine Mutter, aber die zeigte noch immer keine Reaktion. Er packte sie am Arm und schüttelte sie. »Mum! Shit, was geht hier ab? Sag’s mir!«
    Maurice’ Mutter antwortete nicht, ja, es schien, als hätte sie
weder das verstanden, was Anita gesagt hatte, noch die Frage ihres Sohnes. Ihre Augen irrten umher, ohne einen festen Punkt zu finden, ihr Gesichtsausdruck war dumpf, als hätte sie jemand geschlagen, ohne Unterlass schwang sie verneinend den Kopf hin und her. »Es kann nicht sein, ich habe keine Schwester«, murmelte sie monoton, immer und immer wieder. Auf Deutsch. »Ich habe keine Schwester!«
    Plötzlich machte sie einen Schritt auf Anita zu, bis sie ganz dicht vor ihr stand.
    Â»Verstehen Sie?«, schrie sie. »Ich habe keine Schwester, und ich habe keine Eltern in Deutschland!«
    Anita wich zurück, als wäre sie gestoßen worden. Betroffen von dem glühenden Hass auf dem Gesicht der Frau, ließ sie die Augen zur Seite gleiten. Sie fielen auf ein verwittertes, vergrautes Holzschild, das von der Straße aus nicht zu sehen gewesen war. Die Inschrift war abgeblättert, und nur noch einzelne Buchstaben waren auszumachen. Dankbar, Ablenkung gefunden zu haben, sah sie genauer hin.
    Â»T, nichts, nichts, B, nichts, K, nichts, nichts«, buchstabierte sie lautlos und zuckte die Schultern, weil es keinen Sinn ergab.
    Auf einmal stand sie stockstill da, leicht nach vorn geneigt, wie ein zum Sprung ansetzendes Tier. Unwiderstehlich angezogen, ging sie näher an das Schild heran, bis sie die Schatten der abgeblätterten Buchstaben erkennen konnte, die sich vor ihr zu einem Wort vereinten. Ihr Mund wurde trocken, ihr Herz hämmerte, als sie das Wort aussprach.
    Â»Timbuktu«, flüsterte sie und wurde kreidebleich.

9
    T imbuktu!
    Maurice fuhr herum. »Timbuktu   – ja, das war früher der Name unserer Farm. Heute nennt man sie einfach Lias Farm.« Angespannt fixierte er sie. »Anita, erklär mir jetzt endlich, was hier vorgeht. Meine Mutter hat keine Geschwister. Das wüsste ich doch. Sie hat außer mir überhaupt keine Familie. Was willst du also hier abziehen? Wenn du es auf die Farm abgesehen hast, lass dir gesagt sein, dass die mir erhört! Mit Brief und Siegel und rechtmäßig eingetragen. Da ist nichts zu holen.« Sein Ton war auf einmal hart und unfreundlich, seine Miene abweisend.
    Statt eine Antwort zu geben, öffnete Anita mit fliegenden Händen ihre Umhängetasche, zog die aufgeklebte Geburtsurkunde heraus, entfaltete sie und hielt sie erst Maurice hin, dann Cordelia.
    Es war eine offizielle Geburtsurkunde der Bundesrepublik Deutschland, die besagte, dass Anna-Dora und Rafael Carvalho ein Kind weiblichen Geschlechts mit Namen Cordelia Mbali hatten. In höchster Spannung wartete sie auf eine Reaktion.
    Maurice begriff offenbar sofort, was er vor sich hatte. Er starrte das Dokument an, als wäre es eine Giftschlange. Cordelia streifte es nur mit einem flüchtigen Blick und wandte sich dann ab, um die Terrasse zu verlassen. Erst nach einigen Schritten schien sie in sich aufzunehmen, was sie gelesen hatte, denn sie wirbelte herum und sah noch einmal hin. Dieses Mal genauer. Schlagartig wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. Ihre bläulich angelaufenen Lippen formten lautlos den Titel des Dokuments.
Geburtsurkunde. Mit allen Anzeichen von Panik glitten ihre Augen schließlich zu dem Namen, der dort eingetragen war. Ihrem eigenen Namen. Sie schwankte.
    Maurice machte einen Satz, um seine Mutter aufzufangen, aber er kam zu spät. Sie fiel auf dem Treppenabsatz in sich zusammen, schlang die Arme fest um die angewinkelten Knie und verbarg ihr Gesicht, kroch in sich hinein wie in ein Schneckenhaus, wiegte sich tonlos hin und her.
    Anita wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Ihr erster Impuls war gewesen, Cordelia in den Arm zu nehmen, aber angesichts deren krasser Körpersprache ging sie auf Abstand. So stand sie mit hängenden Armen da und scharrte verlegen mit den Fußspitzen.
    Â»Es tut mir

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