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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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über die Wangen rannen, berührten selbst Dirk, den ehemaligen Reporter, der an verschiedenen Kriegsschauplätzen unvorstellbare Grausamkeiten erlebt hatte und sich eigentlich für immun gegen derartige Gefühlsdarbietungen hielt.
    Â»Armes Schwein«, murmelte er, allerdings so leise, dass Maurice es nicht verstehen konnte. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie Anita aufstand und ihrer Schwester auf die Beine half. Deren helle Leinenhosen waren mit rostroten Staubflecken verschmutzt. Anita bückte sich fürsorglich, um sie mit einer Hand abzuklopfen, und Cordelia wehrte sie nicht ab. Ihr Verhalten zueinander erschien harmonischer als zuvor. Keine abweisende Schulter, keine heftige Gestik, keine laute Auseinandersetzung. Allerdings wirkte Cordelia dabei etwas hölzern. Scheu, so als schreckte sie vor Berührungen zurück. Anitas Berührung? Völlig gefangen sah er zu. Sein Herzschlag wurde schneller. Nach einem kurzen, geflüsterten Wortwechsel kamen die Frauen auf sie zu.
    Cordelia blieb vor Maurice stehen und wies mit der Hand auf Anita. »Maurice, das ist Anita … meine Schwester, wie es scheint.«
Hier machte sie eine winzige Pause, eigentlich mehr ein Luftholen. Dann fuhr sie fort. »Anita, das ist mein Sohn, dein Neffe …« Ihre dunkle Stimme wurde heiser, wie verstopft. »Verdammt, gleich fange ich auch noch an zu heulen«, murmelte sie und schluckte krampfartig. Ihre Hände flatterten in einer Geste, die gleichzeitig hilflos und verlegen war.
    Maurice starrte sie ein paar Sekunden perplex an, dann wurde sein Gesicht von einem breiten, glücklichen Grinsen überstrahlt. »Anita … Tante Anita«, rief er, »wie wunderbar.« Er warf die Arme um sie und drückte sie fest an sich. Ihm stürzten die Tränen aus den Augen. »Plötzlich habe ich eine Familie«, schluchzte er. »Es ist nicht zu fassen.«
    Cordelia stand steif neben ihm, biss sich auf die Lippen, zog dann ein Taschentuch hervor und putzte sich die Nase. Auch das wirkte wie eine Verlegenheitsgeste. »Kommt doch bitte auf die Veranda«, sagte sie schließlich mit belegter Stimme. »Ich brauche jetzt einen Tee  – oder vielleicht einen Cognac.« Sie sah hinunter auf ihre Fußspitzen und schüttelte dann den Kopf, als wäre sie in einen inneren Dialog verstrickt. »Eine richtige, lebendige Schwester  – ich kann es noch immer kaum glauben«, murmelte sie und sah Anita an. »Aber du musst mich Lia nennen, den anderen Namen will ich nicht hören. Verstanden? Der gehört zur Vergangenheit, zu einer schrecklichen Zeit.«
    Â»Lia«, sagte Anita und verschob die Frage, was so schrecklich in der Vergangenheit war, dass sie ihren eigenen Namen nicht hören mochte, auf später.
    Maurice stand hemmungslos schluchzend neben ihr, und auch Dirk wirkte, als würde er von unerwarteten Gefühlen überschwemmt.
    Â»Ich brauche einen Whisky. Ein ganzes Becherglas voll«, verkündete Maurice. »Ich …«
    Â»Du sollst deine Finger doch vom Alkohol lassen«, fiel ihm Cordelia ins Wort, streichelte ihm dabei aber die Wange. »Tee
brauchen wir, frisch gebrühten Tee …« Sie wandte sich an Dirk. »Oder trinken Sie Kaffee?«
    Â»Oje, entschuldige bitte, das hatte ich ganz vergessen«, rief Anita. Mit einer Handbewegung stellte sie ihn ihrer Schwester vor. »Das ist Dirk Konrad, Dirk, das ist meine … Schwester.« Sie stolperte über den Begriff und lachte. »Meine Güte, daran werde ich mich aber schnell gewöhnen müssen. Meine Schwester Lia!«
    Darauf erklärte sie Cordelia kurz, dass sie über die Reise ihrer Eltern quer durch Afrika ein Buch geschrieben habe. »Timbuktu heißt es, und es wird gerade verfilmt. Dirk ist der Kameramann und sucht für die letzten Szenen noch eine Location. Ehrlich gesagt, waren wir gestern schon hier, aber wir haben euch nicht angetroffen. Dirk findet, dass euer Haus sich wunderbar dazu eignen würde … Kein Wunder, wir wissen jetzt ja, dass es tatsächlich das Timbuktu ist, von dem Mama und Papa immer erzählt haben …« Sie brach ab, als sie Cordelias verspannte Miene bemerkte. »Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast«, setzte sie hastig hinzu und hoffte, dass sie das zarte Gespinst der ersten Annäherung nicht zerstört hatte.
    Â»Timbuktu«, murmelte Lia abwesend. »Darüber

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