Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
Vom Netzwerk:
kann ich jetzt noch nicht nachdenken. Es ist einfach zu viel. Wir setzen uns jetzt auf unsere schöne, kühle Veranda und trinken Tee. Ich sage Cathy Bescheid, dass sie Scones backen soll. Du magst doch Scones?«
    Â»Aber nur mit dick Marmelade und einem großen Klacks Schlagsahne«, antwortete Anita, die bemüht war, alles zu tun, damit die Stimmung nicht kippte. Sie lehnte sich hinüber zu Dirk. »Das ist ein kleines Gebäck mit Marmelade und Schlagsahne. Es ist ein Klassiker der englischen Teatime. Lecker himmlisch und Kalorien ohne Ende. Kennst du es? Es ist einfach himmlisch.«
    Dirk nickte. Während Cordelia ins Haus ging, setzte er sich neben Anita in einen der tiefen, ziemlich ausgesessenen rot gepolsterten
Korbstühle auf der Veranda. Er streckte seine langen Beine aus und schien auf das zu warten, was noch passieren würde.
    Anita allerdings hielt es nicht auf dem Stuhl aus. Aufgewühlt lief sie auf der Veranda herum und lenkte sich mit der Katze ab, die auf lautlosen Pfoten vom Dach heruntergehüpft war und jetzt schnurrend um ihre Beine strich. Während sie eine Hand in dem warmen Fell versenkte, das verzückte Vibrieren des schnurrenden Katzenkörpers unter den Fingerspitzen spürte, herrschte in ihrem Inneren Chaos. Summendes, kribbelndes Chaos. Als hätte sich das starke Fundament ihres Lebens auf einmal in Treibsand verwandelt. Nichts war mehr sicher, kein Punkt definiert. Wagte man, es zu betreten, würde man verschlungen.
    Die Katze wand sich unter ihrer Hand heraus, machte einen Buckel, streckte sich, gähnte genüsslich und stolzierte dann, ohne sich nach ihr umzusehen, hinüber zu Dirk und sprang ihm auf den Schoß. Dort rollte sie sich ohne Federlesens zusammen und entschwand ins Katzentraumland.
    Cathy  – jung, hübsch, mahagonibraun, prächtige Zähne und Augen wie Kullerkirschen  – deckte vor sich hin trällernd den Tisch und brachte die frisch gebackenen Scones auf einem mit Streublumen verzierten großen Porzellanteller, den Anita sofort erkannte. Ihre Mutter hatte genau den gleichen gehabt. 18. Jahrhundert, Meißen. Kostbar. Cathy bot ihr von den Scones an. Anita nahm ihr den Teller ab und schaute auf die Unterseite.
    Die Marke mit den gekreuzten Schwertern, identisch mit der von dem Teller, der jetzt ihr gehörte. Ihrer war nie benutzt worden, hatte in der Vitrine gestanden, seit sie denken konnte. Es war ihr strikt verboten worden, ihn auch nur anzufassen. Wie kam ein solcher Teller hierher in die Hände des Hausmädchens? Er musste ihrer Mutter gehört haben, und dass sie ihn einfach nur vergessen hatte, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Nicht ihre Mutter. Es sei denn, ihre Abfahrt war überstürzt
erfolgt. Was sofort zur nächsten Frage führte, warum sie überstürzt ihre Farm und das Land verlassen hatten. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren!
    Was war damals passiert, dass ihre Mutter ihren kostbaren Teller zurückgelassen hatte? Sie biss in das Küchlein. Es war warm und goldgelb, die Butter schon geschmolzen, die Erdbeermarmelade fruchtig, und die Sahne leckte an den Seiten herunter, schneeweiß und kalorienreich. Genau das, was sie jetzt nötig hatte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass ihre Schwester auf die Veranda zurückgekehrt war und offenbar die schnelle Musterung, der Anita den Teller unterzogen hatte, bemerkt hatte, denn ihre Miene war kühl, fast abweisend geworden.
    Â»Unsere Mutter hatte ursprünglich zwei davon«, sagte Cordelia mit ausdrucksloser Stimme und schob ihre Sonnenbrille auf den Kopf. »Diesen hat sie wohl vergessen.«
    Glaub ich nicht, dachte Anita und fuhr mit dem Finger über die Streublumen, die an einigen Stellen schon abgerieben und verblasst waren. Nicht meine Mutter. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, jetzt musste sie fragen. Jetzt würde sie vielleicht endlich erfahren, was damals geschehen war. Sie atmete durch.
    Â»Wann hat sie ihn vergessen?« Ihre Stimme zitterte nicht. Darauf war sie stolz.
    Statt eine Antwort zu geben, verschwand Cordelia wieder hinter der Sonnenbrille. Dann fasste sie sich mit einer Bewegung an die Stirn, die Anita mit leisem Frösteln als die erkannte, die ihre Mutter immer ausgeführt hatte, bevor sie einen Migräneanfall bekam.
    Â»Bekommst du Migräne?«, brach es aus ihr heraus.
    Ãœberrascht ließ Cordelia die Hand sinken und nahm die Brille abermals ab. Ihre

Weitere Kostenlose Bücher