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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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hellblauen Augen zeigten Verwirrung. »Woher weißt du das?«
    Anita zuckte mit den Schultern. »Mama hat immer die gleiche Bewegung gemacht, wenn sich ein Anfall ankündigte.«

    Cordelia schaute ihr für ein paar Sekunden ins Gesicht, ganz direkt, so als suchte sie etwas, dann glitt ihr Blick ab und verlief im Nichts. Ihre Miene war angespannt, und ihre Kiefermuskeln arbeiteten, als müsste sie etwas hinunterkauen.
    Dirk lehnte sich vor, wollte offensichtlich die Antwort auf Anitas Frage nicht verpassen. Maurice spielte gesenkten Kopfes mit seiner Tasse. Niemand sprach. In diese tiefe, übervolle Stille klingelte ein Handy. Laut, misstönend, aufdringlich. Die ersten Takte von »Nkosi S’ikelele Africa«, der südafrikanischen Nationalhymne. Cordelia fuhr zusammen. Im ersten Moment schien sie desorientiert zu sein, dann langte sie jedoch in die Seitentasche ihrer Hosen und holte ihr Mobiltelefon hervor. Sie meldete sich mit einem kurzen »Ja?« und lauschte dann schweigend, was der Anrufer zu sagen hatte, worauf sie zuerst zunehmend ernster und besorgter wurde, dann jedoch auf eigenartige Art ruhiger. »Ich bin gleich da«, sagte sie, klappte das Telefon zu und stand auf. »Es tut mir sehr leid, aber einer unserer Arbeiter hat einen schweren Unfall gehabt. Ich muss zu ihm. Kannst du morgen wiederkommen? Dann können wir reden.« Ihre Stimme war nicht nur kühl, sondern merkwürdig abweisend, ohne die gewisse zaghafte Freundlichkeit, mit der sie Anita noch vor Minuten angesprochen hatte.
    Sie ist froh über die Unterbrechung, dachte Anita. Irgendetwas war zwischen ihnen gerade vorgefallen, hatte ihr beginnendes Verhältnis verändert, und sie hatte keine Ahnung, was. War es ihre Frage gewesen, wann ihre Mutter den Teller vergessen hatte? Die Bemerkung wegen der Migräne? Frustriert biss sie sich auf die Lippen. Aber es blieb ihr keine Wahl, als zuzustimmen, sonst würde sie Cordelia noch weiter zurückstoßen.
    Widerstrebend nickte sie. »Nach dem Frühstück, um neun?«
    Â»Perfekt  – danke«, sagte Cordelia. »Ich muss jetzt los  – bis morgen dann.« Ohne ein weiteres Wort zu Anita strebte sie mit klappernden Absätzen von der Veranda herunter. »Komm, Maurice!«

    Aus ihren Bewegungen las Anita die Erleichterung, einen Grund zu haben, die Veranda zu verlassen. Mich zu verlassen, setzte sie für sich hinzu. Vielleicht war es auch gut so. So hatte jede von ihnen Zeit, sich an diese außergewöhnliche Situation anzupassen. Aber morgen würde sie von vorn anfangen müssen. Cordelia hatte ihre innere Tür um einen winzigen Spalt geöffnet, einen Zipfel von ihr hatte sie zu fassen bekommen. Jetzt war er ihr entglitten, jetzt war die Tür ins Schloss gefallen, und morgen würde die Tür fest verschlossen sein.
    Sie sah ihrer Schwester hinterher und schwor sich, alles zu unternehmen, um diese unsichtbare Mauer, hinter die sich Cordelia zurückgezogen hatte, einzureißen.
    Â»Kann ich euch nicht begleiten?«, rief sie ihr nach. »Ich bin in Erster Hilfe ausgebildet. Vielleicht kann ich helfen?«
    Cordelia wechselte einen schnellen Blick mit Maurice, bevor sie antwortete. »Nein, danke. Du wärst nur im Weg, glaub mir.« Mit dieser so kryptischen wie provokanten Bemerkung wandte sie sich erneut zum Gehen.
    Verwirrt davon  – und auch von dem Blickwechsel, der mit Sicherheit eine Art Mitteilung gewesen war und den Anita zu ihrem Verdruss nicht interpretieren konnte  – fiel ihr nichts Besseres ein, als Cordelia nachzurufen, ob sie die Toilette kurz benutzen dürfe.
    Â»Erste Tür links vom Eingang«, rief Maurice und joggte davon.
    Nach kurzem Zögern  – Anita schien es, dass sie eigentlich noch etwas sagen wollte  – folgte ihm Cordelia ebenfalls im Laufschritt.
    Â»Also, auf zum Lokus«, murmelte Anita.
    Â»Ich könnte mich ja gleichzeitig ein wenig im Haus umsehen«, sagte Dirk. Er hatte seinen Kopf vorgestreckt, als witterte er schon wieder eine Geschichte.
    Aber Anita wehrte ab. »Nein, lieber nicht. Wenn ich das tue,
ist es etwas anderes  – schließlich … gehöre ich zur Familie. Irgendwie jedenfalls, und ich habe auch nicht vor herumzuschüffeln  – ich will halt nur einmal einen Blick hineinwerfen. Ich bin sofort wieder zurück.« Sie schob ihre Sonnenbrille ins Haar und betrat

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