Jenseits von Timbuktu
ein menschlicher. Du musst ihn doch gehört haben.«
»Habe ich nicht«, beharrte Cordelia und steckte einen Keks in den Mund. Er knirschte zwischen ihren Zähnen. »Da ist nichts. Du hörst Gespenster!« Ihr Ton setzte einen Schlusspunkt hinter diese Diskussion.
Anita horchte hinaus in die Wildnis, aber es blieb ruhig. »Okay, kann sein, dass mir meine Ohren einen Streich gespielt haben«, sagte sie schlieÃlich. »Kann ich die Löwen einmal sehen?«
Cordelias Hände flatterten vor ihrem Gesicht, als wollte sie einen Moskito verscheuchen. »Nein ⦠lieber nicht ⦠die Tiere haben â¦Â« Sie zögerte. »Ja, ich glaube, sie haben Junge. Zwei Weibchen haben Junge, und dann  â das kann ich dir versichern  â ist mit denen überhaupt nicht gut Kirschen essen. Vielleicht ein anderes Mal.«
»Okay«, sagte Anita gedehnt. Warum wurde sie den Eindruck nicht los, dass Cordelia gerade nicht die Wahrheit sagte? Oder einfach etwas verschwieg? Was im Prinzip aufs Gleiche hinauskam.
Ihre Schwester redete weiter, als wäre nichts vorgefallen. »Ein paar Jahre später habe ich Anthony Maxwell geheiratet. Ihm habe ich meine ganze Geschichte erzählt und eigentlich erwartet, dass er das Weite suchen würde, aber eine Woche später hieà ich mit Nachnamen Maxwell. Ich habe ihn sehr geliebt, nicht wie Mandla natürlich. Nie habe ich je wieder einen Mann so lieben können wie ihn. Aber Tony war ein wirklich guter Mensch.«
Anita hörte nur mit halber Aufmerksamkeit zu. Der Schrei hatte sich nicht wiederholt. Dass sie etwas gehört hatte, stand für sie auÃer Frage, aber sie musste sich eingestehen, dass es tatsächlich irgendein Tier gewesen sein konnte. Ihre hartnäckige innere Stimme allerdings gab keine Ruhe, so sehr sie sie auch zu unterdrücken suchte. Da hatte kein Löwe gebrüllt. Da hatte jemand geschrien, jemand, der in Not war. Zu diesem Zeitpunkt jedoch würde sie das nicht herausbekommen können. Sie zwang ihre Aufmerksamkeit zurück zum Rest von Cordelias Geschichte.
Es war drei Uhr, als sie Timbuktu verlieÃ. Cordelia brachte sie zum Auto. Zum Abschied umarmten sie sich nicht, sondern gaben
sich förmlich die Hand. Es stand noch zu viel zwischen ihnen, als dass es Nähe erlaubt hätte.
Bevor sie in den Wagen stieg, fiel Anita noch etwas ein. »Und Riaan? Er ist doch nicht von Mandla, oder? Oder ist er von deinem Ehemann?«
Cordelia runzelte verwirrt die Stirn. »Von Tony? Dieser Riaan Fourie? Wie kommst du darauf?«
»Maurice hat gesagt, er wäre sein Bruder.«
Ihre Schwester schnaubte durch die Nase. »Bruder? Na, das wäre ja was. Dass ich nicht lache! Dieser Mann ist nichts weiter als eine ⦠Hilfskraft.«
»Eine Hilfskraft? Ihr seid gar nicht verwandt? Hattest du keine Kinder mit Tony?«
»Verwandt? Ganz bestimmt nicht«, rief Cordelia unerklärlich heftig. »Eines Tages ist er hier aufgetaucht und hat nach einem Job gefragt. Er kommt aus dem Oranje Freestate und ist einfach ein Farmarbeiter. Und ich hatte keine Kinder mit Tony. Leider. Er wäre ein wunderbarer Vater gewesen.«
»Vielleicht meint Maurice, dass er sein Freund ist, so wie ein Bruder.«
»Ach, Maurice â¦Â« Cordelia schüttelte den Kopf, sprach aber dann nicht weiter, sondern trat einen Schritt zurück, wie um ein Signal zu geben, dass Anita fahren solle.
Aber Anita musste noch eine weitere Sache klären, die ihr auf der Seele lag. Sie suchte Cordelias Blick. »Da ist noch jemand auf eurer Farm. Ich habe ihn zufällig getroffen. Ein Len Pienaar. So ein groÃer, massiger Typ. Sein Arm ist auf der linken Seite amputiert. Ist er so etwas wie dein Partner oder Farmmanager? Er schien sich hier sehr zu Hause zu fühlen.« Sie hielt ihren Tonfall bewusst neutral.
Cordelias Augen flackerten. Sie wandte das Gesicht ab. »Pienaar ⦠ja, nun ⦠Maurice arbeitet mit ihm zusammen ⦠Maurice hat ihn zufällig im Spielcasino getroffen ⦠Er suchte â¦
Ja, er hilft Maurice mit den Löwen ⦠Er ist Löwenexperte. Und dieser Riaan ist seine Hilfskraft.« Ihre Stimme hatte wieder an Sicherheit gewonnen.
Anita allerdings hatte den deutlichen Eindruck, dass sie sich um die Wahrheit herumlaviert hatte. Vielleicht sollte sie ihre Schwester fragen, ob sie sich im Klaren darüber war, dass der Mann,
Weitere Kostenlose Bücher