Jenseits von Timbuktu
anderen Ende warteten die GroÃeltern. Hast du sie gekannt?«
Anita sah ihre GroÃeltern vor sich, blauäugig, kultiviert, gütig. Hände, die sie streichelten, ein Lächeln, das sie als liebevoll in Erinnerung hatte. Sie nickte vorsichtig.
»Nun, sie standen am Flughafen und wirkten so hart wie aus Holz geschnitzt«, fuhr Cordelia fort. »Nicht einmal umarmt haben sie mich. Die Hand haben sie mir gereicht, ganz kurz, wie einer Fremden. Ihrem einzigen Enkelkind. WeiÃt du, was mir von ihnen hauptsächlich im Gedächtnis geblieben ist? GroÃmutter trug irgendein altmodisches Parfum. Ihre Haut, ihre Kleidung war durchdrungen davon ⦠Es roch süÃlich, ein bisschen wie alter Puder. Ich habe es noch heute in der Nase ⦠Ich fand es ⦠unangenehm.« Unvermittelt stieà sie eine Art Lachen aus. »Aber dann lief doch nicht alles so, wie mein Vater es befohlen hatte. Sobald GroÃmutter herausbekam, dass mein Baby voraussichtlich nicht blütenweià sein würde, dass ich mich mit einem Neger eingelassen hatte, warf sie mich raus. Einfach so. Was ihre Freunde und die Leute dazu sagen würden, war ihr immerwährender Albtraum. Das hatte Mutter von ihnen geerbt.«
Anita stand auf und lief ein paar Schritte. Sie musste sich einfach bewegen, konnte nicht stillsitzen und das verdauen, was ihr Cordelia da wieder servierte. Ihr Kopf schien von einer pulsierenden Masse ausgefüllt zu sein, die immer weiterwuchs und ihr den Schädel zu sprengen drohte. Sie presste beide Hände an die Schläfen. Sollte sie den ersten Migräneanfall ihres Lebens bekommen?
Ihre GroÃmutter sollte so etwas getan haben? Ihre freundliche, elegante GroÃmutter, die zwar immer etwas distanziert wirkte, aber sehr liebevoll mit ihr umgegangen war, die sie stolz ihren Freundinnen vorgezeigt hatte? Die sie geliebt hatte? »Das kann ich mir von GroÃmutter nicht vorstellen.«
Cordelia lachte. Ein hartes, kurzes Lachen. »Glaub mir, Schwester, sie hat es getan. Und GroÃvater hat nichts dagegen unternommen. Ich stand buchstäblich auf der StraÃe. Hochschwanger. Und nur die paar Geldscheine, die sie mir zum Schluss in die Hand gedrückt hatte, waren das Bollwerk zwischen mir und dem Platz bei den Obdachlosen unter der Brücke.«
»O Gott.« Anita wurde schwindelig. War denn alles in ihrem bisherigen Leben eine Lüge gewesen? Die Nachmittage bei den GroÃeltern, die Liebe ihrer Mutter zu ihr, ihrer Tochter? Die Liebe ihres Vaters? Cordelia konnte doch unmöglich eine derart blühende Fantasie haben.
Der Boden unter ihren FüÃen schwankte. Sie fiel in den Sessel und packte mit beiden Händen die Lehnen, um Halt zu finden. Das durfte nicht wahr sein. Wie sollte sie mit der Tatsache weiterleben, dass ihre Eltern und GroÃeltern Cordelia so kalt und brutal behandelt hatten, dass sie widerliche, engstirnige Rassisten gewesen sein mussten? Ein anderes Wort fiel ihr nicht ein. Ihre Eltern, die immer von Afrika und seinen Menschen geschwärmt hatten? Verdammt, was war das für ein Sumpf? Die pulsierende Masse drückte von innen gegen ihre Augäpfel. Ehe sie es verhindern konnte, brach ein Stöhnen aus ihr heraus.
»Ich habe rasende Kopfschmerzen. Hast du ein Aspirin für mich?«
Cordelia stand schweigend auf und kehrte kurz darauf mit einer Packung Aspirin und einem Glas Wasser zurück. »Es sind Brausetabletten, die wirken schneller. Kriegst du auch eine Migräne?«
»Das wäre dann das erste Mal in meinem Leben«, nuschelte Anita und lieà zwei der Tabletten ins Wasser gleiten, wo sie sich sprudelnd auflösten. Sie schwenkte das Glas, lieà das Wasser kreisen und schüttete es dann in einem Zug in sich hinein. Mit einem Taschentuch wischte sie sich den Mund ab. »Was hast du bloà gemacht? Wie hast du es nur geschafft, dass Maurice heute bei dir lebt?« Wie muss das gewesen sein, dachte sie, in einem fremden Land Fuà zu fassen, hochschwanger, praktisch kein Geld, keinen Menschen, den sie um Hilfe bitten konnte. »Ich glaube, ich hätte kurzen Prozess gemacht und wäre von der nächsten Brücke gesprungen.«
»Und hättest dein Baby umgebracht? Das hättest du getan? Dann passt du ja prima in unsere Familie!«
Anita spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.. »Natürlich nicht ⦠entschuldige«, stammelte sie. »Ich habe überhaupt nicht
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