Jenseits von Timbuktu
gegen einen Haufen Gesetze verstoÃen, wenn ich mich nicht irre. Ich habe mich da ein bisschen schlau gemacht.«
»O ja, das haben wir tatsächlich. Und Angst hatte er sicherlich auch. Vor dem, was die Leute sagen würden. Das war immer das Wichtigste, besonders auch für ⦠Mutter.« Das letzte Wort spuckte sie Anita förmlich vor die FüÃe.
Was aber nur dazu beitrug, dass Anita noch hartnäckiger wurde. »Ich habe gelesen, dass ein solcher Verstoà gegen das Kerngesetz der Apartheid immer mit Gefängnis bestraft wurde. Laut einem Bericht zu urteilen, den ich mal im deutschen Fernsehen gesehen habe, waren die Gefängnisse hier die reinste Hölle. Kann es nicht sein, dass er auch davor Angst hatte? Ins Gefängnis zu kommen?«
Cordelia hob die Schultern und nippte wieder an ihrem Tee. »Kann sein.« Sie zögerte. »Möglicherweise«, setzte sie hinzu.
»Wärst du auch ins Gefängnis gekommen?«
Cordelia fuhr erstaunt auf. »Ich? Ich war doch erst siebzehn â¦Â« Doch plötzlich spannten sich ihre Muskeln, ihr Blick bohrte sich in den Boden. »Ich weià es nicht«, flüsterte sie schlieÃlich mit einem Achselzucken.
Irgendetwas an ihrer Haltung machte Anita furchtbar wütend. »Mit siebzehn wärst du sicherlich auch eingelocht worden«, schrie sie. »Glaubst du nicht, dass Papa das befürchtet hat? Dass er vor sich sah, was sie mit dir im Gefängnis gemacht hätten? Du wärst vergewaltigt worden, von den Wachen, den Mithäftlingen, Frauen und Männern, und was da sonst noch alles passieren kann! Vielleicht hättest du das Ganze nicht einmal überlebt! Und dein Baby schon gar nicht.« Sie atmete heftig und starrte Cordelia in die Augen. »Vielleicht war es das, was Papa vor sich sah.«
Ihre Schwester machte die Schultern krumm, schlang sich die Arme um den Leib und starrte mit leerem Ausdruck vor sich hin. Welche Bilder sie jetzt vor sich sah, war in ihren verkrampften Zügen nicht zu lesen. Anitas Zorn steigerte sich.
»Cordelia!« Der Name knallte wie ein Peitschenhieb.
Ihre Schwester zuckte zusammen, als hätte sie jemand geschlagen. Die blassen Lippen bewegten sich, aber zu hören war nichts.
»Du musst schon lauter reden, ich habe kein Wort verstanden.«
Cordelias Kopf flog hoch, ihre Augen glühten eisblau, die Pupillen waren wegen der Helligkeit zu schwarzen Punkten zusammengezogen. »Das war aber noch nicht alles«, schrie sie. »Da kam ja noch viel mehr! Willst du es nun hören oder nicht? Sonst scher dich zum Teufel!«
Ihre Blicke verkrallten sich. Anita atmete schwer, ihr Herz raste. Nach einer atemlosen Minute nickte sie vorsichtig.
»Hältst du dich zurück, bis ich dir alles erzählt habe? Wirst du es dir schweigend anhören? Bis ich fertig bin?«
»Okay, mach ich«, sagte Anita nach kurzem Zögern und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Ihr Kaffee, der auf einem Seitentischchen stand, war inzwischen kalt geworden, aber das störte sie momentan herzlich wenig. Sie trank ihn aus und schob sofort einen Keks hinterher.
Cordelia strich sich das Haar hinter die Ohren, zupfte ihre Shorts und die Bluse zurecht und räusperte sich. »Also gut, ich versuchâs«, sagte sie. »Auf der Missionsschule hatten sie etwas gegen Mandlas Namen. Ob es daran lag, dass sie den Mittellaut nicht aussprechen konnten, oder dass der Ausruf âºAmandla!â¹ der Schlachtruf des ANC war  â keine Ahnung. Vermutlich beides. Auf jeden Fall nannten sie ihn âºMauriceâ¹. Das heiÃt der Maure, der Mohr. Sehr kreativ, was? Deswegen habe ich seinen Sohn Maurice genannt.«
»Wo ist er geboren? Hier auf Timbuktu? «
Cordelia warf die Hände hoch und verdrehte die Augen. »O nein, um Himmels willen, doch nicht hier. Ein farbiges Baby auf unserer Farm. Wo denkst du hin!« Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. »Nein, Vater hat mich auf der Stelle nach Deutschland geschickt. Ich sollte bei den GroÃeltern, die ich nicht einmal kannte, unterkommen, bis das Baby geboren war, und dann â¦Â« Ihre Brust bebte. »Und dann sollte ich ihn zur Adoption freigeben. Das Kostbarste, was ich in meinem Leben besaÃ, sollte ich für immer weggeben. Als ich mich dagegen wehrte, kam noch mal der Gürtel zum Einsatz. Danach wurde ich wie ein Paket einfach nach Deutschland verfrachtet. Ich konnte nichts dagegen machen. Am
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