Jenseits von Timbuktu
Maâam!« Jonas Dlamini lehnte sich über den Tresen der Rezeption und winkte ihr zu, als sie über die Veranda zu ihrem Bungalow strebte. »Ich habe ganz vergessen, Sie darauf
hinzuweisen, dass Ihr GPS auf dem Dach des Mietwagens eine eigene Stromversorgung hat«, rief er ihr entgegen, als sie näher kam. »Sie brauchen es nicht extra anzuschalten.«
Sie reagierte verwundert. »Das Navi? Das geht doch mit der Zündung an, und es ist eingebaut und nicht auf dem Dach.«
»Nicht das Navi, sondern das GPS, das die Position des Autos an eine spezielle Einsatzzentrale meldet, falls Sie entführt werden«, sagte er und notierte sich etwas auf einem Stück Papier. Anita betrachtete ihn mit einer Mischung aus Schock und Ungläubigkeit.
»Entführt?« Ihre Stimme kletterte die Tonleiter hoch.
Er sah auf und bemühte sich sichtlich um ein beruhigendes Lächeln. »Keine Angst, Maâam. Ihr Auto trägt auch eine Nummer auf dem Dach, die so groà ist, dass man sie vom Hubschrauber aus lesen kann.« Wieder widmete er sich seinen Notizen.
»Aha«, sagte Anita und verstand überhaupt nichts mehr.
Der Zulu bemerkte nun doch ihre Verwirrung. »Tja, es ist eine traurige Tatsache, dass es in unserem Land sehr üblich ist, sich ein Auto nicht dadurch zu verschaffen, indem man Geld dafür bezahlt, sondern indem man ein Fahrzeug und samt Fahrer entführt«, erklärte er liebenswürdig.
»Aha«, sagte Anita noch einmal, verstand jetzt zwar die Fakten, aber begreifen tat sie nichts. »Wozu entführt? Es gibt niemanden, der für mich Lösegeld zahlen würde.«
»Um Lösegeld geht es eigentlich nie«, begann Jonas, verstummte aber, als Nils, der eben vom Parkplatz hochkam, ihn mit einem zornigen Blick zum Schweigen brachte.
»Jonas, Jill braucht den Monatsabschluss. Jetzt sofort!« Sein Ton war barsch, und er fixierte den Zulu durchdringend, der darauf verlegen nickte und in sein Büro abtauchte, das hinter der Rezeption lag. »Hallo, Anita«, grüÃte Nils. »Ist alles so, wie du es dir wünschst?«
Sie hatte die Arme in die Hüften gestemmt. »Wie manâs
nimmt. Muss ich Angst haben, entführt zu werden? Das hat Jonas gerade angedeutet. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich hätte gern eine klare Antwort. Kein Herumeiern.«
Er blinzelte von seiner Höhe auf sie herab. »Lass es mich so formulieren: Wenn du gewisse Verhaltensregeln beachtest, sinkt das Risiko gewaltig.«
»Na super«, sagte Anita und musste an den Zwischenfall in KwaDuma mit den wild gewordenen Sportwagenfahrern denken. »Wer kann mir die Verhaltensregeln erläutern, und wo kann ich hier einen Pfefferspray bekommen?«
Nils warf ihr einen erstaunten Blick zu. Kein Geschrei, kein Gejammer, wie gefährlich dieses Land sei und wie sicher es in Deutschland zugehe. Nur eine praktische Frage. Anita Carvalho passte gut in dieses Land, dachte er.
»Die Verhaltensregeln erfährst du von mir, ich kann sie dir auch in schriftlicher Form geben, und Sprays haben wir vorrätig. Hast du eine Minute Zeit?« Als sie zustimmend nickte, ging er ihr voraus zu seinem Büro. Sein Computer war angeschaltet. Er tippte ein paar Befehle, rief eine Datei auf, schaltete den Drucker ein, und Sekunden später zog er ein Dokument aus der Papierausgabe.
»Hier, das sind Verhaltensregeln, die von der Polizei und der gröÃten Versicherung des Landes aufgestellt wurden. Du kannst sie ja später in Ruhe lesen.« Einer Schublade entnahm er einen versiegelten Pfefferspray und reichte ihn ihr.
Anita nahm ihn und drehte ihn mit leichter Beklemmung in der Hand. »Wie viel kostet er?«
»Der geht aufs Haus, natürlich. Aber lies dir die Regeln genau durch, damit du jede Situation meidest, in der du diesen Spray benutzen müsstest.«
»Ich werde daran denken. Hat sich bei euch irgendetwas ergeben ⦠ich meine wegen der Bodyguards und wegen â¦Â« Sie zögerte.
Nils wusste sofort, worauf sie anspielte. »Wegen Pienaar, meinst du? Nun, ich habe Leute engagiert, die auf Kira, Luca und Jill aufpassen, sobald sie die nahe Umgebung der Lodge verlassen. Und die Hunde sind nachts im Haus. AuÃerdem haben wir die Patrouillen entlang des Grenzzauns verstärkt.«
»Innerhalb Inqaba nicht?«
»Nun, eigentlich nicht. Die Grenzzäune unserer Lodge werden sehr gut bewacht, und ich denke nicht,
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