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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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nachgedacht … Du hast das falsch verstanden … Doch nicht das Baby …«, stammelte sie.
    Â»Also, ich bin nicht von der Brücke gesprungen«, unterbrach Cordelia sie. »Ich habe mich mit meinem Koffer in irgendein Straßencafé gesetzt und in meinen Kaffee geheult, den ich mir eigentlich nicht leisten konnte. Am Nebentisch saß eine lebhafte Gruppe von vier Frauen. Sie bemerkten schnell, dass ich weinte, und mein körperlicher Zustand war ja offensichtlich. Eine von ihnen beugte sich zu mir herüber und fragte mich, ob sie mir helfen könnten. Wir kamen ins Gespräch und sie holten mich an ihren Tisch. Alle vier waren sehr nett, so aufgeschlossen … so anders. Zum Schluss bezahlten sie nicht nur meinen Kaffee, sondern
boten mir sogar ein Zimmer in ihrer Wohngemeinschaft an. Bis heute sind sie meine besten Freundinnen geblieben. Wir schreiben uns oft, und immer wieder besuchen sie mich hier.« Für einen Moment beschäftigte sie sich mit ihrem Tee, nippte daran und ließ ihn in der Tasse kreisen. Schließlich setzte sie die Tasse ab. Ihre Gestik und Miene war zurückhaltender geworden, und Anita hatte den deutlichen Eindruck, dass sie sich wieder innerlich zurückgezogen hatte. Sie verwünschte ihre dumme Bemerkung.
    Â»Das Schicksal wollte es, dass die verheiratete Schwester der einen keine Kinder bekommen konnte und verzweifelt nach einem Adoptivkind suchte«, fuhr Cordelia fort, sah dabei an Anita vorbei in den Garten. »Wie sie und ihr Mann es am Ende geschafft haben, dass sie trotz der behördlichen Hürden tatsächlich Maurice adoptieren konnten, weiß ich nicht, aber es klappte  – es klappte«, wiederholte sie mit einer Inbrunst, in der die Erleichterung von damals mitschwang. »Maurice Beckmann hieß er von da an. Von Anfang an wusste er, dass er adoptiert war, und er wusste von mir. Ich war zurück nach Südafrika geflogen, aber die Beckmanns erlaubten mir, ihn so oft zu besuchen, wie ich wollte. So oft ich es mir leisten konnte.« Ein Lächeln glänzte in ihren Augen.
    Â»Was haben die Eltern gesagt? Hast du ihnen von der Geburt erzählt?«
    Cordelia überraschte sie mit einem Kichern. Es war nicht fröhlich, sondern eher schadenfreudig, fast ein wenig bösartig. »Aber ja. Das habe ich ihnen geschrieben, aber ich habe auch an Mandla geschrieben und den Brief Freunden von ihm mit der Bitte gesandt, ihm den Brief ins Gefängnis zu bringen. Damals hatte ich noch die Hoffnung, dass Mandla …« Sie stockte. »Dass es ihn noch gab«, setzte sie dann leise hinzu. »Ob er den Brief wirklich bekommen hat, habe ich nie erfahren, auch nicht, ob er überhaupt noch lebte … lebt.« Wieder stieß sie
dieses eigenartige Kichern aus. »Aber die Freunde verbreiteten die Nachricht von meinem Baby, und innerhalb von Tagen wusste es die ganze Gegend. Und alle redeten darüber. Die Polizei kreuzte wieder auf und verhörte die Eltern. Stundenlang saßen sie auf dem Polizeirevier. Immerhin hatten sie in den Augen des Gesetzes gegen den Immorality Act verstoßen. Ich war noch nicht volljährig und hatte mich mit einem Schwarzen eingelassen, also trugen sie die Verantwortung.« Sie schnaubte verächtlich. »Mutter hielt dem nicht stand. Sie veranlasste Vater, heimlich ihre Sachen zu packen und Hals über Kopf das Land zu verlassen. Mich ließen sie allein zurück und Timbuktu in der Hand ihres Managers. Wie sie es geschafft haben, ungeschoren über die Grenze zu kommen, ist mir noch heute ein Rätsel.« Sie nagte an einem Nagel. »Ich habe sie nie wiedergesehen, und sie sind auch nie wieder zurück nach Zululand gekommen.«
    Anita, die mit jagendem Herzen gelauscht hatte, fuhr bei einem plötzlichen Geräusch zusammen. Anfänglich war sie sich nicht sicher, was es war, aber dann war sie davon überzeugt, dass jemand geschrien hatte. Nicht in der Nähe, sondern weiter weg. »Hast du den Schrei gehört?«, sagte sie.
    Â»Schrei?« Cordelia sah sich um. Sie setzte schon an, den Kopf zu schütteln, aber dann verengten sich auf einmal ihre Augen und Anita schien es, dass sie unerklärlicherweise nervös wurde. »Da hat niemand geschrien. Das war vermutlich einer von Maurice’ Löwen.«
    Anita warf die Hände hoch. »Ach, Cordelia, ich bitte dich! Löwen schreien nicht, sie brüllen. Das war ein Schrei, und zwar

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