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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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zweite Mal, dass sie einen Menschen angegriffen und auch verletzt hatte. Len Pienaar hatte eine Barriere in ihr niedergerissen, und was dahinter zum Vorschein gekommen war, erfüllte sie mit gelindem Schrecken. Eine derartige Reaktion von sich hätte sie nicht für möglich gehalten. Aber die Zeit, intensiver darüber nachzudenken, hatte sie jetzt nicht. Vorerst konzentrierte sie sich darauf, Kraft zu sammeln, um sich um Kira kümmern zu können, um ihr nicht zu zeigen, wie niedergeschlagen sie selbst war. Sie war die Erwachsene, sie musste ihr und den Mädchen Halt geben und Mut machen. Sie setzte ein fröhliches Gesicht auf und wandte sich zu Kira um.
    Aber Kira war verschwunden. Anitas Herz stolperte, dann setzte es mit harten Schlägen wieder ein. Hastig lief sie von Kind zu Kind und schaute hinter ihren Rücken nach, weil sie annahm an, dass sich Kira dort vor Pienaar versteckt hatte. Doch zu ihrem Entsetzen war sie nicht da. Ihr Blick hetzte durch die Hütte und blieb an dem Loch in der Wand hängen, in der auf einmal einige Steine fehlten. Plötzlich war Naki da, der unbemerkt hinter Pienaar in die Hütte geschlüpft sein musste. Er war dabei, die Schlafmatte und eine Kiste, die wohl sonst als Tisch diente, vor das verräterische Loch zu ziehen. Als das Loch verdeckt war, sagte er leise etwas auf Zulu. Einige der Kinder kicherten, unerwartete Laute in dieser Situation. Zwei von der Mächen krochen zu
ihm hin, und zu Anitas maßlosem Erstaunen hockte sich erst das eine und dann das andere vor das Loch, wo sie ausgiebig urinierten und dann noch einen Haufen davorsetzten. Der Gestank verbreitete sich rasant. Bisher hatten Anita und Kira dafür die andere Seite der Hütte benutzt, die neben der Türöffnung. Sie musterte Naki unverwandt.
    Â»Sie ist weg.« Er grinste und zeigte verstohlen auf das Loch. »Yebo!«
    Es war dieses ganz und gar triumphierende Grinsen, das den ersten Funken Hoffnung in ihrem Herzen entzündete. Hatte es Kira tatsächlich geschafft zu entkommen? Es gelang ihr kurzfristig, die Vorstellung, dass Jills Tochter jetzt allein in der Wildnis von Inqaba unterwegs war, zu verdrängen.
    Naki kicherte fröhlich. »Yebo«, flüsterte er, als hätte er ihre Frage tatsächlich verstanden.
    Â»Ngiyabonga«, flüsterte sie. »Danke.« Thabili hatte ihr das Wort beigebracht.
    Â 
    Der Wecker klingelte um vier Uhr. Jill schoss im Bett hoch und schwang ihre langen Beine auf den Boden. Und landete mit den Füßen in einer Wasserpfütze. Ein Schimpfwort murmelnd, schaute sie zur Verandatür. Sie war fest verschlossen, aber der nächtliche Regen war offenbar so stark gewesen, dass selbst der Dachüberhang und der massive Rahmen die Wasserflut nicht davon hatte abhalten können, ins Schlafzimmer einzudringen. Nasse Fußabdrücke auf dem Fliesenboden hinterlassend, lief sie zur Glastür und schob sie auf.
    Ein Wasserschwall empfing sie, und ein Tosen, das alle anderen Geräusche auslöschte. Der Gewittersturm tobte draußen in unverminderter Heftigkeit. Die Welt hatte sich in graue Schemen aufgelöst, und die Sichtweite betrug nur Armeslänge. Jill war niedergeschlagen. Es war völlig sinnlos, jetzt einen Suchtrupp hinauszuschicken. Sie hatte sowieso keine Vorstellung, wo
sie mit der Suche hätten beginnen sollen. Das Gebiet Inqabas war riesig. Geröll würde losgewaschen sein, Wege blockiert, Wasserläufe aus ihrem Bett getreten. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen fiel ihr ein Überhang ein, der an einer Stelle in mehreren Metern Höhe über die Straße ragte, die auf der anderen Seite fast hundert Meter senkrecht zum Fluss abfiel. Das jagte ihr schon seit Monaten eine Höllenangst ein. Sollte der heruntergekommen sein, wäre die Straße in den nördlichen Bereich für Wochen für Geländewagen unbefahrbar.
    Kira in diesem Wetter zu finden war so gut wie unmöglich. In jedem Erdloch konnte sie sich versteckt haben, auf jedem Baum. Wenn sie sich überhaupt auf Inqaba befand. Entmutigt wandte sie sich um, um ins Badezimmer zu gehen, aber Nils, der leise neben sie getreten war, hielt sie zurück. »Hörst du das auch?«, fragte er. »So ein Klatschen?«
    Sie lauschte für einen Moment, dann weiteten sich ihre Augen vor Schreck. »Einbrecher? Wir müssen … die Türen … ob alle geschlossen sind …« Sie wirbelte herum und

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