Jenseits von Timbuktu
Haupthaus.
Das merkwürdige Geräusch, das sie so beunruhigt hatte, klärte sich schnell auf. Zu ihrem maÃlosen Erstaunen flogen aus der geöffneten Glastür des Empfangsraums in rhythmischen Abständen Schlammklumpen in hohem Bogen und klatschten auf die Verandabohlen. Nils schob sich an der Wand entlang und schaute misstrauisch durch die Panoramafenster, um herauszufinden, was sich dort abspielte.
Es war Jonas. In Boxershorts, die mit dicken roten Ãpfeln bedruckt waren, und bis zum Kinn bespritzt, stand er bis zu den Knöcheln in Dreckbrühe und schippte Schlamm. Dabei fluchte er laut und sehr farbig auf Zulu. Als ihm das Repertoire ausging, wechselte er ins Englische, in dem er einen Wortschatz demonstrierte, der den eines jeden StraÃengangsters in den Schatten stellen würde. Im Empfangsraum schwappte zentimeterhoch Schlamm, und Jill kapierte schnell, was passiert sein musste. Wenn ein Unwetter im Anzug war, war es Jonasâ Aufgabe, überall Sandsäcke als Schutz gegen Wassereinbruch auszulegen. Offenbar war er überrascht worden und hatte es nicht mehr rechtzeitig geschafft. Trotz ihrer Sorge musste sie schmunzeln. Jonas in Apfel-Shorts war wirklich ein erheiternder Anblick.
Minuten später trudelten fast alle Mitglieder des Suchtrupps ein und fielen über Thabilis Frühstück her wie ein Schwarm gieriger Heuschrecken über ein Weizenfeld.
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Marina Muro rief von ihrem Bungalow aus mehrfach die Rezeption an, bekam aber nie eine Verbindung. Bei ihr hatte es ziemlich schlimm hereingeregnet. Hauptsächlich deshalb, weil sie die Terrassentür nicht vollständig geschlossen hatte. Aber so etwas passierte halt. Jeder konnte einen Fehler machen, und im stolzen Preis der Ãbernachtung hier sollte das drin sein. AuÃerdem hatte sie unbedingt lüften müssen, weil die Klimaanlage den durchdringenden Geruch von Erbrochenem nicht vollständig hatte tilgen können. Flavio hatte es nicht mehr bis ins Badezimmer geschafft und sich auf dem hübsch ethnisch gemusterten Teppich neben dem Sofa übergeben, den sie dann mit angehaltenem Atem und einigem Ekel zusammengerollt nach drauÃen befördert hatte. Dort hatte er sich wohl in der Tür verklemmt und den Regen hineingelassen. Pech.
Sie holte ein paar Handtücher aus dem Badezimmer und
breitete sie über der Pfütze aus, dann versuchte sie noch einmal Jonas zu erreichen, aber das Telefon gab keinen Mucks von sich.
»Das blöde Ding ist tot«, sagte sie zu Flavio, der dahingestreckt mit geschlossenen Augen auf dem Sofa lag. Sein Gesicht hatte die Farbe von Haferbrei angenommen. Sie goss Mineralwasser in ein Glas und stellte es in seine Reichweite auf den Wohnzimmertisch. »Du solltest etwas trinken. Du bist ja völlig leergelaufen.«
Der Regisseur grunzte. Er öffnete die Augen, warf einen trüben Blick auf das Glas und schüttelte schweigend den Kopf.
Mit schlecht verhohlener Besorgnis schaute sie auf ihn hinunter, nahm sanft die Haut auf seinem Handrücken zwischen zwei Finger, zog sie hoch und lieà sie wieder los. Die Falte blieb stehen. Das zeigte ihr als gelernte Krankenschwester, dass er auf dem besten Weg war, zu dehydrieren, und dann wurde es ernst. Er musste an den Tropf.
Sie strich ihm über die Stirn. Heià und trocken. Auch ohne die Erfahrung ihrer Jahre in der Charité war ihr klar, dass er hohes Fieber hatte. Es musste etwas geschehen, und das ziemlich schnell. Das Antibiotikum, das die Ãrztin per Telefon verschrieben hatte, hatte kaum angeschlagen. Er brauchte dringend andere Medikamente. Und einen Arzt, der ihn sich persönlich ansah.
Aber wie sollte sie das bewerkstelligen, wenn weder ihr Handy noch das Festnetztelefon zur Rezeption funktionierte? Sie schaute hinaus. Es war marginal heller geworden. Die Nässe tropfte von Bäumen und Büschen. Der Pfad, der zu ihrem Bungalow führte, war verschwunden. An seiner Stelle strudelte ein munteres Schlammflüsschen vorbei. Sie fluchte ausgiebig, was sie wunderbar konnte, seit sie bei einem Film eine Hafennutte gemimt hatte. Sie nahm sich vor, im nächsten Film eine Frau zu spielen, die sich allein durch den afrikanischen Dschungel schlagen musste. Dabei würde sie sicher auch viel lernen können. Man konnte ja nie wissen.
Unschlüssig stand sie mitten im Zimmer und schaute einem Gecko zu, der sie seinerseits mit neugierig glänzenden Knopfaugen beäugte. Mit einer
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