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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Hunger.«
    Â»Pah!«, sagte Tiki, rückte den Krug zurecht und schritt mit aufreizend wiegenden Hüften davon.
    Anita sah ihr nicht nach. Den Kopf in die Hände brütete sie weiter über ihren Plan, starrte dabei durch den Spalt hinaus über den Rücken der Rinder ins Nichts.
    Â 
    Letztendlich wurde ihr die Entscheidung abgenommen. Ein tiefes Grollen kündigte eine neue Gewitterfront an, und keine halbe Stunde später war an Flucht nicht mehr zu denken. Es schüttete wie aus Kübeln, Blitze zischten über einen tintenschwarzen
Himmel, Donner krachte mit einer Urgewalt, dass die Erde erzitterte. Und dann schlug ein Blitz ein, unmittelbar bei ihrer Hütte.
    Er traf die Metallrohre, die über einen Meter aus dem Erdhaufen ragten. Mit furchtbarem Krachen und 30 000 Grad heißem Strom fuhr der Blitz hinein, verschmorte binnen Sekundenbruchteilen eine Puffotter, die sich ins Gestrüpp um die Rohre verkrochen hatte, entzündete einen abgestorbenen Busch sowie ein großes Bündel Feuerholz und sprang schließlich auf das Grasdach des Unterstands über. Brennende Grasbüschel wirbelten im Sturm durch die Luft. Es sah seltsam hübsch aus. So, als wären Sterne vom Himmel gefallen.
    Das alles spielte sich vor Anitas Augen ab, deren Ohren noch vom Knalltrauma klingelten, und es geschah derartig schnell, dass sie erst ein paar Lidschläge später begriff, was da vor sich ging. Die Mädchen, die unter dem Grasdach gekauert hatten, schrien vor Angst und stoben kopflos vor Schreck mit weit aufgerissenem Mund kreischend in alle Richtungen hinaus in den Regen.
    Len Pienaar brüllte Befehle, Africa, Jacob und Zungu rannten hinter den Mädchen her und fingen eines nach dem anderen wieder ein. Pienaar schob die Kürbiskiste beiseite, und die Männer stießen die Kleinen gewaltsam zu Anita und Kira in die Hütte, die viel zu klein für alle war. Die Mädchen, klatschnass und schlammverschmiert, klammerten sich völlig traumatisiert aneinander. Eines warf sich ohne Zögern in Anitas Arme, die dabei bemerkte, dass die Kleine ein Armband trug, das aus runden, glänzend korallenroten Samen mit pechschwarzen Augen bestand. Das Mädchen schüttelte es von ihrem dünnen Handgelenk und ließ die Samenperlen wie einen Rosenkranz durch die Finger gleiten. Ohne Unterlass, zitternd wie Espenlaub und ständig leise vor sich hin wimmernd. Anita zog sie enger an sich. Als Kira sie an ihrem Top zupfte, drehte sie sich um.

    Â»Was ist?«
    Â»Wo ist Jabulile?«, fragte Kira und wandte den Kopf auf der Suche nach ihrer Freundin hin und her. »Ich kann sie nicht mehr sehen«, flüsterte sie. »Sie ist weg.« Ihre Stimme schwankte vor Aufregung.
    Im selben Augenblick trat jemand die Kürbiskiste beiseite und riss das Rinderfell zurück. Der massige Körper von Pienaar füllte die Öffnung aus und blockierte fast alles Licht. Er zwängte sich in die Hütte, bahnte sich geduckt zwischen den Mädchen einen Weg zur Mitte und richtete sich dort zu seiner vollen Größe auf. Schweigend seine Lippen bewegend, zählte er die Kinder durch. Runzelte die Stirn, zählte noch einmal. Und noch einmal, und je länger er zählte, desto wütender wurde er. Zum Schluss geriet er völlig außer sich. »Riaan«, röhrte er. »Komm her!«
    Die verspiegelte Sonnenbrille reflektierte im Eingang. »Yep?«
    Â»Zähl die mal durch!« Pienaar wies mit dem Daumen auf die bebenden Kinder.
    Riaan gehorchte schweigend. Zählte einmal, dann ein zweites Mal. »Eines von den Blagen fehlt.«
    Mit einer Bewegung mit seinem Armstumpf verscheuchte Pienaar seinen Gehilfen und stemmte den gesunden Arm in die Seiten. »Okay, letzte Chance. Wer weiß, wo diese Kleine mit dem Elefantenkopf auf dem T-Shirt sich rumtreibt. Ich zähle bis drei, wenn ihr nicht sagt, wo sie ist, passiert was! Eines … zwei.« Er schlug mit dem amputierten Arm den Takt. Sein Gesicht nahm zusehends eine dunkelrote Farbe an, und er schien noch breiter und größer zu werden. »Drei!«, brüllte er dann in die vibrierende Stille. Er wartete ein paar Sekunden, aber niemand meldete sich. Seine eisgrauen Augen wanderten von einem Kind zum anderen wandern, und jedes Kind reagierte mit Zittern und flehentlichem Wimmern. Endlich kam er bei Anita an und fixierte sie. »Ich glaube, ich muss euch eine Lektion erteilen, was?«

    Anita

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