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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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ungeduldigen Handbewegung verscheuchte sie ihn. Flavio brauchte einen Arzt. Der einzige Weg war, den Elementen, den Raubtieren und Schlangen da draußen zu trotzen und zur Rezeption zu laufen, und da außer ihr niemand sonst da war, hatte sie keine Wahl.
    Sie band ihre widerspenstige Mähne zu einem Pferdeschwanz zurück, zog Bermudas und Laufschuhe an, schickte ein Stoßgebet zum Himmel, bekreuzigte sich anschließend vorsichtshalber noch und stieg dann entschlossen die Treppe hinunter. Von einem überhängenden Busch brach sie einen kräftigen Stock ab, wobei sie zwar patschnass wurde, aber immerhin hatte sie jetzt das Gefühl, nicht ganz wehrlos zu sein.
    Der Schlamm schwappte ihr in die Schuhe, tropfende Zweige griffen nach ihr, Dornen hakten sich in ihre Haut. Ein junger Affe hockte fiepend auf dem Schild, das den Weg zu ihrem Bungalow wies. Als er sie erblickte, streckte er ihr bettelnd die Hände entgegen. Sie wedelte erst mit beiden Armen, und als das keinen Erfolg zeigte, warf sie mit Schlamm nach ihm. Als das Tier aufgeregt schimpfend davonstob, stapfte sie zufrieden weiter. Glücklicherweise wurde es stetig heller, sodass auch das Dämmerlicht unter den Baumkronen allmählich zerfloss und es ihr möglich war zu sehen, wohin sie ihre Füße setzte.
    Eine Schlange schwamm an ihr vorbei. Nur wenige Meter vor ihr. Sie war leuchtend grün und mit ihren riesengroßen schwarzen Augen eigentlich sehr hübsch anzusehen, aber Marina hatte jetzt gar keinen Sinn dafür. Sie hatte schlicht Angst und umklammerte ihren Stock, bereit, dem Reptil den Kopf zu Brei zu schlagen. Aber das Tier glitt an ihr vorbei. Es stieß gegen einen Baum, schoss atemberaubend schnell den Stamm hinauf und war im Nu zwischen den nass glänzenden Blättern unsichtbar. Marina machte einen großen Bogen um den Baum, nahm sich
aber vor, eine solche Szene in ihrem nächsten Film – den im Busch – einbauen zu lassen. Allerdings würde sie da das Reptil natürlich wagemutig mit dem Stock erschlagen. Vielleicht um ein Kind zu retten. Oder sollte sie es lieber sanft zur Seite tragen? Darüber müsste man nachdenken. Kam vielleicht bei den zartbesaiteten Grünorientierten besser an. Energisch marschierte sie weiter durch den Schlamm, und fast wäre sie an ihr vorbeigelaufen.
    Nur ein Geräusch, das nicht in den Busch passte, nicht zu dem zähen Schlamm und dem Regen, ein leises Keckern nur, fast wie das einer Rohrdommel, veranlasste sie hochzusehen.
    Da saß sie, auf dem untersten Querast des großblättrigen Baums, und baumelte wie ein Kind mit den nackten Füßen. Ein uraltes, winziges Weiblein, eingehüllt in ein verwaschenes schwarzes Fetzengewand, die Haut ein dunkles Aschbraun straff über die spitzen Knochen gespannt, der Schädel mit wenig eisgrauem Pfefferkornhaar bestreut. Kichernd schlenkerte sie mit den Beinen und spielte mit einer kräftig gezeichneten Schlange, die – den Leib einmal um den dürren Hals der Alten geschlungen – ihre starren, lidlosen Augen auf die Schauspielerin richtete und aufmerksam züngelte.
    Marina folgte wie hypnotisiert den Bewegungen des Reptils und bekam dabei keinen Ton heraus. Sie konnte auch keinen weiteren Schritt tun, ganz so, als wäre sie plötzlich gelähmt. Von diesem knochigen Bündel Frau auf dem Ast ging etwas aus, was sie vollkommen in den Bann schlug. Es legte sich ihr auf die Brust, machte jeden Atemzug zu einer unglaublichen Anstrengung. Es kroch in ihren Kopf, nahm Besitz von ihren Gedanken, hielt ihren Blick wie mit einem Magneten fest.
    Â»Mei, is des aufregend«, stotterte sie und legte die Hand auf ihr klopfendes Herz.
    Die Alte starrte sie aus irrlichternden Augen an, die so pechschwarz glänzten wie die der grünen Schlange. Das Kichern
wurde zu einem Zischen, worauf die Schlange unruhig wurde und sich über den knochigen Arm schlängelte. Für Sekunden fixierte sie Marina bewegungslos und glitt dann mit einer kraftvollen Bewegung hinüber auf einen anderen Ast. Die Alte griff nach ihr, verfehlte sie aber, und binnen Sekunden hatte sich das Reptil zwischen den Blättern unsichtbar gemacht. Die seltsame Frau öffnete ihren zahnlosen Mund und fauchte wie eine wütende Katze, wobei sie am ganzen Körper heftig zitterte.
    Marina reagierte besorgt und machte einen Schritt auf sie zu. »Tut Ihnen etwas weh?«, rief sie sehr laut, weil sie

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