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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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dass ich übertreibe?« Mit provokantem Schwung warf sie ihre Mähne in den Nacken, ihre Augen sprühten.
    Der Regisseur machte eine beschwichtigende Geste. »Du bist grandios, Schätzchen, wie immer. Aber vergiss doch bitte nicht, dass du in dieser Szene erschöpft von der Geiselhaft bist. Du hast lange nichts zu essen und zu trinken bekommen, deine Kehle ist rau, die Hitze ist mörderisch. Du hast gar keine Kraft mehr, so zu schreien. Also, etwas mehr piano, wenn ich bitten darf.«
    Die Schauspielerin starrte ihn sekundenlang aufgebracht an,
dann zuckte sie mit den Achseln. Sofort veränderte sich ihre Körpersprache, die Schultern senkten sich, sie schleuderte ihr Haar nach vorn übers Gesicht, und als sie sich umwandte, um den Platz wieder zu überqueren, war ihr Gang schleppend und schwer, als lastete ein schweres Gewicht auf ihr. Nach wenigen Metern blieb sie stehen, stemmte erneut die Hände in die Hüften und spießte den Regisseur mit einem herausfordernden Blick auf.
    Â»So etwa?«
    Er verneigte sich und klatschte ihr mit erhobenen Händen lautlos Beifall zu. »Genau so, das war wirklich ergreifend. Du bist wirklich die Beste!«
    Marina Muro schüttelte ihre Haarmähne wie ein gereiztes Pferd und stolzierte ohne ein weiteres Wort über den Platz zum Lehmgebäude. Vor der Tür, aus der sie herauskommen sollte, wartete schon die erschöpft wirkende Visagistin. Sie war ziemlich korpulent und schwitzte stark.
    Â»Dramaqueen, nervtötend«, brummte Flavio Schröder, der Regisseur. Dann hob er wieder das Megafon. »Also, alles auf Anfang. Marina, meine Liebe, noch einmal bitte. Maske!«
    Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht und wartete, während die Maskenbildnerin Marina Muros Gesicht abpuderte, den verschmierten Lippenstift nachzog und ihr anschließend das Haar kunstvoll verwirrte und mit Haarspray fixierte. Eine Kollegin kümmerte sich um die Statisten, denen der herunterlaufende Schweiß Rinnen ins Make-up grub.
    Die Sicherheitsleute, die von der Servicefirma gestellt worden waren  – durchweg durchtrainierte junge Männer mit Ohrknöpfen und deutlichen Beulen unter ihren Hemden  –, nutzten die kurze Unterbrechung, um etwas zu trinken oder sich einen Energieriegel in den Mund zu schieben, und kehrten jetzt wieder auf ihre Posten zurück. Auch die Statisten hatten sich etwas zu trinken geholt und begaben sich nun unter gemurmeltem Protest auf ihre Plätze in der sengenden Sonne.

    Anita Carvalho betrachtete das Treiben. Die Geschichten ihrer Eltern hatten von endloser Weite gehandelt, vom goldenen Sandmeer der Sahara, das sich bis zum Horizont erstreckte, von üppigem Dschungel, leuchtenden Farben und faszinierenden, warmherzigen Menschen. Davon war hier mitten im Nichts irgendwo am nordwestlichen Rand des Nordkaps nahe der Grenze zu Namibia wenig zu sehen.
    Vermutlich lag es daran, dass sie die Umgebung nicht restlos ausblenden konnte, wie es der Kamera möglich war. Die Stützstreben der nachgebauten Fassaden von Timbuktus Lehmhäusern waren von ihrem Platz aus teilweise sichtbar. Bei den Tuaregs in ihren wallenden Gewändern handelte es sich um Statisten, die aus einem winzigen Kaff namens Pofadder stammten. Die Esel gehörten einem ansässigen Farmer, und der Geier war der Star einer südafrikanischen Agentur, die Filmtiere dressierte. Die Schotterstraße, die zurück in die Zivilisation führte, wurde nur teilweise von einer dichten Gruppe Dornenbäume verdeckt, und die Wohnwagen für das Team, die hinter einem Sichtschutzzaun aus Markisenstoff wie ehemals die Wagenburgen der Buren im Kreis standen, zerstörten die Illusion vollends. Sie kniff die Augen zusammen. Vielleicht lag es ja auch am Licht. Vielleicht war das anders in der Sahara, weicher, goldener.
    Auf ihre enttäuschte Frage, warum die Dreharbeiten nicht in der Sahara und Timbuktu selbst stattfanden, hatte der Assistent des Produzenten, ein energiegeladener, bebrillter junger Mann, geantwortet, dass es wesentlich billiger sei, in Südafrika zu drehen. Außerdem gebe es dort massenweise Produktionsfirmen, die alles bestens organisieren konnten. Location, Catering, Unterkunft, Statisten. Was man eben so als Filmproduktion brauchte.
    Â»Und außerdem liegt Timbuktu in Mali, und jeder weiß, dass es da verdammt gefährlich ist«, hatte er erklärt. »Die entführen am laufenden Band Touristen,

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